Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. Freistellung. Leistungsfähigkeit. leidensgerechter Arbeitsplatz. Schadensersatz. Annahmeverzugslohn. Schadensersatzanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Fortzahlung des Gehalts während der Freistellungsphase setzt voraus, dass der Arbeitnehmer – mit Ausnahme des tatsächlichen oder mündlichen Arbeitsangebots – die sonstigen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs ohne Arbeitsleistung erfüllt (§§ 616, 615 Satz 2 BGB).

2. Der Anspruch auf Verzugslohn ist gemäß § 297 BGB ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig ist. Der Arbeitnehmer, der aufgrund einer körperlichen Einschränkung nur einen Teil der ihm kraft Direktionsrecht zugewiesenen Arbeiten ausführen kann, ist nicht leistungsfähig i. S. v. § 297 BGB und damit arbeitsunfähig. Eine teilweise oder eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitsrecht fremd.

3. Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zuge seines Direktionsrechts keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verzugslohn. Dem Arbeitnehmer kann jedoch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zustehen, wenn der Arbeitgeber schuldhaft seines Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 1 BGB dadurch verletzt, dass er den Arbeitnehmer nicht durch Neuausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist (BAG, Urt. v. 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 –).

 

Normenkette

BGB §§ 615, 241 Abs. 2, § 296 S. 1, § 297; GewO § 106 S. 1; EFZG §§ 3, 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 23.06.2011; Aktenzeichen 2 Ca 64 c/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.06.2011 – Az.: 2 Ca 64 c/11 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Wesentlichen über Verzugslohnansprüche des Klägers ab Dezember 2009 bis einschließlich Oktober 2010.

Der 48-jährige Kläger ist seit dem 01.11.1992 bei der Beklagten, einer Grundstücksund Bauträgergesellschaft, als Gärtner zu einem Monatsgehalt von EUR 2.515,00 brutto zzgl. vermögenswirksame Leistungen über EUR 40,00 beschäftigt. Mit dem Junigehalt und dem Dezembergehalt erhielt der Kläger regelmäßig zusätzlich jeweils ein volles Bruttomonatsgehalt als Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld. In dem Arbeitsvertrag vom 01.09.1992 (Bl. 5 – 7 d. A.) ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig beschrieben. Neben seiner Tätigkeit bei der Beklagten übt er noch eine selbstständige gärtnerische Erwerbstätigkeit aus. Im Rahmen dieser Nebentätigkeit hatte der Kläger am 31.12.2007 ohne eigenes Verschulden einen Autounfall. Er erlitt Verletzungen insbesondere an der Hüfte und war bis zum Oktober 2008 durchgehend arbeitsunfähig krank. Auf Empfehlung des BAD nahm der Kläger vom 22.09.2008 bis zum 17.10.2008 an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teil. Im Anschluss daran nahm der Kläger seine Tätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Der Kläger war indessen – unstreitig – aufgrund seiner erlittenen Verletzungen nicht wieder in vollem Umfang leistungsfähig. Mit Schreiben vom 29.04.2009 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2009 aus personenbedingten Gründen (Bl. 149 f. d. A.). Zugleich stellte sie den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Der Kläger erhob sodann im Rahmen eines Vorprozesses Kündigungsschutzklage (Beiakte = BA, ArbG Elmshorn: 2 Ca 881 d/09 = LAG Schl.-H. 5 Sa 518/10). Am 03.03.2010 musste sich der Kläger als Folge des Verkehrsunfalls einer Fußoperation unterziehen, sodass er ca. fünf Wochen seinen linken Fuß nicht voll belasten konnte. Ab dem 06.05.2010 nahm der Kläger an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme teil. Nachdem das Arbeitsgericht in dem Vorprozess der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 14.10.2010 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben hatte, forderte die Beklagte den Kläger auf, seine Arbeit wieder aufzunehmen und wies ihm einen „leidensgerechten” Arbeitsplatz zu. Ab dem 01.11.2010 arbeitet der Kläger wieder für die Beklagte. Auch nach November 2010 musste der Kläger noch an zahlreichen therapeutischen Maßnahmen teilnehmen, sodass er die ihm nunmehr von der Beklagten zugewiesene und seiner Leistungsfähigkeit entsprechende vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in zeitlicher Hinsicht nur eingeschränkt erbringen konnte.

Für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 31.10.2010 erhielt der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 11.335,50 EUR netto (Bl. 77 d. A.). Mit Schreiben vom 12.11.2010 bat die Beklagte den Kläger, auf das 14. Gehalt für 2010 zu verzichten (Bl. 11 d. A.). Der Kläger unterzeichnete die entsprechende Verzichtserklärung nicht (Bl. 15 d. A.).

Mit seiner am 14.01.2011 beim Arbeitsgericht erhobenen Zahlungsklage hat der Kläger restliche Vergütungszahlungen für den Zeitraum von Dezember 2009 bis zum April 2011 ...

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