Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung. Vergütungserhöhung. Maßregelung. Ausgleichstage. Tarifvorrang. Gleichbehandlung bei Entgelterhöhung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gilt nicht, wenn es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Die Einführung eines Arbeitszeitkontos, das einer Umverteilung der wöchentlichen Arbeitszeit Rechnung trägt, ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG grundsätzlich mitbestimmungspflichtig. Ist die Vergütung von Mehrarbeit tariflich geregelt, dürfen die Betriebspartner die Zahlung der Mehrarbeitszuschläge nicht ausschließen, auch nicht im Zuge der mitbestimmungspflichtigen Einführung eines Arbeitszeitkontos.
2. Gewährt der Arbeitgeber nur solchen Arbeitnehmern eine Lohnerhöhung, die zuvor einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich zugestimmt hatten, kann dies sachlich gerechtfertigt sein, wenn er damit allein Vergütungsunterschiede ausgleichen will.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 5; BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 612a
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 01.02.2007; Aktenzeichen 5 Ca 1202d/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 01.02.2007 – 5 Ca 1202 d/06 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Überstundenzuschläge für den Monat April 2006 in Höhe von 74,40 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB zu zahlen. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gewährung von Ausgleichstagen sowie um verschiedene Zahlungsansprüche.
Der am …1946 geborene Kläger trat am 04.09.1972 erstmals in die Dienste der Beklagten. Dieses Eintrittsdatum findet sich in seinen Gehaltsabrechnungen. Das Arbeitsverhältnis war zwischen dem 23.10.1976 und dem 02.01.1978 unterbrochen. Im Jahr 1983 wurde der Kläger nach einer zum 31.08.1983 ausgesprochenen Kündigung am 21.11.1983 wieder eingestellt. Seither arbeitet er ohne weitere Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses als Gießereiarbeiter. Der Kläger ist seit 1985 Mitglied der IG Metall. Die Beklage betreibt an ihrem Standort in H. mit rund 150 Arbeitnehmern ein Maschinenbauunternehmen. Sie schloss am 12.10.1995 mit der IG Metall einen Anerkennungstarifvertrag. Danach fanden die Tarifverträge für die Metallindustrie Hamburg/Schleswig-Holstein Anwendung. Die Beklagte kündigte den Anerkennungstarifvertrag zum 31.12.1997. Der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein (MTV) in der Ende 1997 geltenden Fassung definierte Mehrarbeit als „angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, die bis zum Arbeitsbeginn des darauf folgenden Tages abgefordert wird”. In § 2 Ziff. 2.1 sah der MTV einen Mehrarbeitszuschlag für die beiden ersten Überstunden täglich in Höhe von 20 % vor. Gemäß § 16 Ziff. 1.1 MTV sind Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von vier Wochen nach Aushändigung oder Zusendung der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen, schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen, § 16 Ziff. 1.2 MTV. Die Beklagte zahlte dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum (ab Mai 2004) einen monatlichen Festlohn in Höhe von 2.826,76 EUR brutto. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden ergibt sich somit ein Bruttostundenlohn in Höhe von 18,59 EUR.
Mit Datum 19.11.1999 schloss die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Zeitkontos. Danach wurde „ein Zeitkonto von Minus 70 Stunden und Plus 105 Stunden vereinbart zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen”. Zum Pluskonto heißt es in der Betriebsvereinbarung: „Der Mitarbeiter leistet die 105 Stunden ohne Überstundenprozente. Der Abteilungsleiter ist verpflichtet, dem Mitarbeiter dafür Freizeit zu gewähren, wenn betriebliche Belange dies ermöglichen. Es sollte nach Möglichkeit auf die Interessen des Mitarbeiters Rücksicht genommen werden. Angefallene Mehrarbeitsstunden werden bei der Freizeitgewährung mit dem durchschnittlichen Verdienst der letzten drei Monate vergütet, wobei immer von der üblichen täglichen Arbeitszeit auszugehen ist.” Es wurde vereinbart, dass die Betriebsvereinbarung bis zum 31.12.1999 gültig ist. Wegen ihres weiteren Inhalts wird auf die Anlage B1 (Bl. 23 d. A.) verwiesen. Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 07.01.2004 an alle Mitarbeiter und bat um schriftliche Zustimmung zu einer Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit um 3 Stunden ohne Lohnausgleich. In dem Schreiben heißt es: „Wenn Sie diese Arbeitsvertragsänderung unterschreiben, erhalten Sie
- die Gratifikation 2003 gemäß Aushang mit der nächsten Abrechnung
- in 2004 das vertragliche Urlaubsgel...