Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Wettbewerbsabrede im Arbeitsvertrag. Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen Lossagung vom Wettbewerbsverbot und entschädigungspflichtiger Karenzeinhaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Abrede im Arbeitsvertrag, wonach ein Wettbewerbsverbot nur nach einer vom Arbeitnehmer "ausgelösten Beendigung des Dienstvertrages" gelten soll, ist unzulässig, da sie zum Nachteil des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches abweicht.

2. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall zwischen Lossagung vom Wettbewerbsverbot und entschädigungspflichtiger Karenzeinhaltung wählen.

 

Normenkette

HGB § 74 Abs. 2, §§ 74a, 75 Abs. 2, § 75d S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 13.06.2017; Aktenzeichen 3 Ca 685/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.06.2017 - 3 Ca 685/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege einer Feststellungsklage über die Verbindlichkeit des im Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Dezember 2007 bis zum 30.06.2017 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er war im Bereich Einkauf für Gemüse- und Sauerkonserven sowie Olivenprodukte zuständig. Im Bereich Verkauf war der Kläger für das gesamte Sortiment der Beklagten tätig. Er bezog ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt iHv. EUR 5.500,00.

Seit dem 01.07.2017 arbeitet der Kläger bei einem direkten Konkurrenten der Beklagten.

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält folgende Klausel:

"§ 8

Wettbewerbsverbot

1. ...

2. Die Parteien vereinbaren ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Fall, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt sowie für den weiteren Fall, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung zu beenden. In diesen beiden Fällen gilt folgendes:

a. Herr L. verpflichtet sich, für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder ein Arbeitsverhältnis zu einem mit der Firma in Wettbewerb stehenden Unternehmen einzugehen, ein Wettbewerbsunternehmen zu gründen oder sich an einem solchen - weder mittelbar noch unmittelbar - zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich auf nachfolgende Geschäftsbereiche bzw. Geschäftstätigkeiten:

Geschäftsbereiche: Obst-, Gemüse-, Fleisch-, Fisch und Saftkonserven, Fruchtkonzentrate und Fruchtpürees, Honigprodukte, Tiefkühlprodukte, getrocknete Früchte und Schalenobst, Feinkosterzeugnisse

Geschäftstätigkeiten: Jegliche Vermittlung von Geschäften in obigem Bereich als Agent, Makler oder Handelsvertreter bzw. jeder Eigenhandel im Einzugsgebiet der Firma.

b. Die Firma verpflichtet sich, Herrn L. für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der von Herrn L. zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Die Berechnung der Entschädigung erfolgt gemäß § 74 bHGB.

...

4. Es besteht Einvernehmen, dass dieses nachträgliche Wettbewerbsverbot nicht gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet."

Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist mit Schreiben vom 22. März 2017 zum 30. Juni 2017 gekündigt. Er bat die Beklagte, aus der Wettbewerbsabrede keine Rechte herzuleiten. Dies lehnte die Beklagte durch ihren Geschäftsführer ab.

Der Kläger hat u.a. stets die Auffassung vertreten, die Klage sei auch als Feststellungsklage zulässig. Das Wettbewerbsverbot sei unverbindlich, da es einseitig bei ordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber entfalle. Dem Kläger sei der Arbeitsvertrag vorgelegt worden. Über die Wettbewerbsklausel sei nicht verhandelt worden. Schon gar nicht sei sie auf Wunsch des Klägers aufgenommen worden. Das über die Warengruppe, für die der Kläger zuständig sei, hinausgehende Verbot sei zudem zu weit gefasst und auch deshalb unverhältnismäßig.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das in § 8 des Anstellungsvertrages der Parteien vom 28. Oktober 2007 festgelegte Wettbewerbsverbot unverbindlich ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, der Antrag sei bereits unzulässig. Das Wettbewerbsverbot sei jedenfalls nicht unverhältnismäßig. Rechtsfolge des § 74a HGB sei im Übrigen, dass das Wettbewerbsverbot bei Überschreitung auf die gesetzlichen Grenzen und das damit einhergehende erlaubte Maß zurückzuführen wäre. Das einseitig nur bei durch den Kläger veranlasster Kündigung bestehende Wettbewerbsverbot verstoße auch nicht gegen § 75 d HGB. Insbesondere sei Rechtsfolge eines etwaigen Verstoßes lediglich die - unverbindliche - Ausweitung des Wettbewerbsverbotes auf solche Fälle, die eigentlich vertraglich vom Wettbewerbsverbot ausgenommen wären. Keinesfalls sei Rechtsfolge, dass das Wettbewerbsverbot für die Bereiche, in denen zulässigerweise ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden könne, lediglich unverbindli...

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