Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage. Klagebefugnis. Verwirkung. Verfristung. prozessual. Kleinbetrieb. Klagefrist. Kündigung. außerordentlich. Feststellungsklage. Annahmeverzug. Klageerhebung. Angebot. Leistungsbereitschaft. subjektiv
Leitsatz (amtlich)
1. Die prozessuale Befugnis, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gerichtlich geltend zu machen, kann auch für Arbeitnehmer von Kleinbetrieben (§ 23 KSchG) verwirken. In Anlehnung an § 4 KSchG wird im Regelfall ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten die zeitliche Obergrenze bilden, bis zu der spätestens ein Arbeitnehmer Klage erheben muß, will er die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung aus sonstigen Gründen gerichtlich geltend machen.
2. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers nach § 615 BGB tritt im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung auch ohne tatsächliches Angebot ein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zumindest mitteilt, daß er die außerordentliche Kündigung nicht hinnimmt. Das ist regelmäßig ab Erhebung der Klage der Fall. Der Arbeitnehmer muß auch leistungswillig sein, weil die subjektive Leistungsbereitschaft eine von der Entbehrlichkeit des tatsächlichen Leistungsangebots unabhängige Voraussetzung des Annahmeverzuges ist. Bei einem Arbeitnehmer, der am Tage vor der außerordentlichen Kündigung bummelt und auch zwei Wochen zuvor drei Tage unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist, ist nicht davon auszugehen, daß der Arbeitnehmer in der Folgezeit – nach Erhalt der außerordentlichen Kündigung – wieder arbeitswillig gewesen wäre.
Normenkette
KSchG §§ 4, 23, 13; BGB §§ 242, 294-295, 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 08.02.1995; Aktenzeichen 2d Ca 1570/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 8. Februar 1995 – 2d Ca 1570/94 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung dahin neu gefaßt:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.1994 zum 08.08.1994 aufgelöst worden ist, sondern durch die Kündigung zum 22.08.1994 aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.006,24 netto zuzüglich 4 % Zinsen p. a. ab dem 21. September 1994 zu zahlen.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten erster Instanz nach dem Streitwert von 10.720,– DM tragen die Beklagte 4/10 und der Kläger 6/10.
Von den Kosten der Berufung nach einem Streitwert von 7.446,– DM tragen die Beklagte 6/10 und der Kläger 4/10.
Gründe
Die Parteien haben in erster Instanz über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten, Vergütungsansprüche für Juli und August 1994, über Schadensersatz, Kosten einer Uhr, Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung gestritten. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.08.1994 zum 08.08.1994 aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt bis zum 22.08.1994 zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen fortbestanden hat. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 2.206,94 DM netto zuzügl. 4 % Zinsen p. a. ab dem 21. September 1994 und zur Zahlung von weiteren 1.655,50 DM brutto zuzügl. 4 % Zinsen p. a. auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 21. September 1994 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz streiten aufgrund der Berufung der Beklagten die Parteien lediglich noch über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütungsansprüche von 2.206,94 DM netto und 1.655,50 DM brutto zuzügl. Zinsen.
Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen der die Entscheidung tragenden Gründe wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Wegen des in der Berufungsinstanz gewechselten Vortrags wird auf den Inhalt der Schriftsätze und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24. August 1994 Bezug genommen.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils. Insoweit, als das Arbeitsgericht festgestellt hat, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 22.08.1994 fortbestanden hat und in bezug auf die Verurteilung von 1.006,24 DM netto nebst Zinsen schließt sich das Berufungsgericht dem Ergebnis des Arbeitsgerichts und seinen Gründen an und nimmt insoweit auf diese zur Vermeidung von Wiederholungen teilweise ausdrücklich Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Im übrigen war das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen:
1. Die Klage ist nicht verfristet. Zwar hat der Kläger sich gegen die ihm am 08.08.1994 zugegangene auße...