Unpünktlichkeit rechtfertigt die Kündigung
Der Arbeitgeber darf Kernarbeitszeiten festlegen. Wenn Beschäftigte diese missachten und wiederholt verspätet die Arbeit aufnehmen, stellt dies eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Je nach den Umständen im Einzelfall kann das Rückschlüsse auf ein hartnäckiges, uneinsichtiges Fehlverhalten zulassen, so dass es vor einer Kündigung keine ausdrückliche Abmahnung bedarf. Dies zu beurteilen hatte das LAG Schleswig-Holstein im Fall einer Gerichtsangestellten, der nach 13 Jahren gekündigt wurde, weil sie mehrfach zu spät zu ihrer Arbeit in der Poststelle erschien. "Nicht so schlimm", wie sie fand -das Gericht beurteilte die Situation anders.
Arbeitgeber rügt mehrere Arbeitszeitverstöße
Die Arbeitnehmerin war langjährig in der Poststelle eines Sozialgerichts tätig. Sie hat ihre Arbeitszeit reduziert und arbeitet montags, mittwochs und freitags jeweils 8 Stunden. Für die Angestellten des Gerichts gilt eine Gleitzeitregelung, die Kernarbeitszeit beginnt um 9.00 Uhr. An ihren Arbeitstagen ist sie die einzige Mitarbeiterin in der Poststelle. Im Juli 2019 erhielt sie eine Abmahnung, weil sie mehrfach zu dienstlichen Veranstaltungen, zuletzt zu einer internen Schulung zu spät gekommen war.
Kündigung wegen dauernder Unpünktlichkeit
Ende Oktober 2019 erschien sie einmal gar nicht und zweimal zu spät zur Arbeit. Innerhalb einer Woche rief sie zweimal erst gegen Mittag beim Gericht an, um mitzuteilen, dass sie verschlafen habe. Den Montag nahm sie dann als Urlaubstag, freitags kam sie fünfeinhalb Stunden verspätet zur Arbeit. Als sie am folgenden Montag sieben Minuten verspätet zur Arbeit erschien, stellte der Vorgesetzte sie zur Rede. Sie entschuldigte sich und gab an, dass sie jeweils am Vorabend Baldrian 1200, ein homöopathisches Mittel, genommen und daher den Wecker nicht gehört habe. Der Arbeitgeber, das Land, kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich fristlos und hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Kündigungsschutzklage: keine wirksame Abmahnung?
Die Mitarbeiterin wehrte sich vor Gericht gegen beide Kündigungen. Sie machte insbesondere geltend, dass sie zu keinem Zeitpunkt wirksam abgemahnt worden sei. Zudem sei ihr Zuspätkommen zu entschuldigen, da sie durch ihre hohe Arbeitsbelastung psychisch belastet war, so dass sie in Folge nicht in der Lage gewesen sei, private Schicksalsschläge wie den Tod ihres Vaters und die Erkrankung und Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter abzufangen. Daher habe sie unter Schlaflosigkeit gelitten, was zu den Verspätungen geführt habe.
LAG: Rechtmäßige Kündigung wegen Verspätungen
Das Arbeitsgericht Flensburg erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam und wies die Klage im Übrigen ab. Das LAG Schleswig-Holstein bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Die ordentliche Kündigung war durch das Verhalten der Arbeitnehmerin auch nach 13 Jahren nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Die wiederholten Verspätungen bei der Arbeitsaufnahme rechtfertigten aus Sicht des Gerichts die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Entschuldigung, sie habe unter Schlafmangel gelitten, sei ihren privaten Lebensumständen zuzurechnen und beseitige die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung nicht.
Keine ausdrückliche Abmahnung nötig
Das Gericht war der Ansicht, dass eine erneute, ausdrückliche Abmahnung im konkreten Fall aufgrund der Umstände nicht erforderlich war. Es wies daraufhin, dass in aller Regel vor einer verhaltensbedingten, ordentlichen Kündigung eine einschlägige Abmahnung erforderlich ist. Nur wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten sei, oder bei einer sehr gravierend schweren Pflichtverletzung, könne eine solche entbehrlich sein.
Fehlverhalten und dauerhafte Uneinsichtigkeit
Vorliegend gelangte das Gericht zur Überzeugung, dass die Mitarbeiterin nicht ernsthaft gewillt war, sich vertragsgerecht zu verhalten. Angesichts der massiven Verspätungen hätte sie Konsequenzen ergreifen müssen, um zukünftig nicht zu spät zur Arbeit zu erscheinen. Stattdessen habe sie fehlendes Unrechtsbewusstsein erkennen lassen, unter anderem sagte sie den Richtern auf Nachfrage, es sei "nicht so schlimm" und führe nicht zu betrieblichen Störungen, wenn die Post einmal liegen bliebe.
Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.08.2021, Az: 1 Sa 70 öD/21, Vorinstanz: Arbeitsgericht Flensburg, Urteil vom 21.01.2021, Az: 1 Ca 1135/19
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