Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Urlaubstagen auf Kur - § 18 Nr 5 MTV Zement-Industrie Nordwestdeutschlands

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 18 Nr 5 MTV für die Zement-Industrie Nordwestdeutschlands vom 1. Juli 1996 berechtigt den Arbeitgeber auch nach der Änderung des § 10 BUrlG durch das sogenannte Korrekturgesetz vom 19. Dezember 1998 Urlaubstage auf eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation anzurechnen, denn § 18 Nr 5 MTV will nicht deklaratorisch die gesetzliche Urlaubsregelung des § 10 BUrlG übernehmen, sondern enthält eine eigenständige Regelung.

 

Orientierungssatz

Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 722/00.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 9. Dezember 1999 - 3 Ca 1750 d/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger noch vier Urlaubstage zu gewähren oder ob diese Urlaubstage wegen Anrechnung auf eine durchgeführte Kur als gewährt verbraucht sind.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Zement-Industrie Nordwestdeutschlands vom 1. Juli 1996 (MTV) Anwendung. § 18 Nr. 5 MTV bestimmt:

"Bei Vorsorge- und Reha-Kuren (es gilt die Definition des § 10 BUrlG) ist

der Arbeitgeber berechtigt, 2 Urlaubstage pro Kurwoche anzurechnen. Der

Arbeitnehmer kann bezüglich dieser Anrechnungsmöglichkeit für den

Arbeitgeber wahlweise Freizeitansprüche (aus dem Arbeitszeitkonto)

einbringen. Die Festlegung muss vor Kurantritt erfolgen. Im übrigen gilt §

10 BUrlG."

Diese Tarifregelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1997 in den MTV aufgenommen worden.

Der Kläger befand sich vom 11. Februar 1999 bis zum 18. März 1999 in einer insgesamt fünfwöchigen Kur. Die Beklagte hat dem Kläger hierauf vier Urlaubstage seines insgesamt 30 Urlaubstage betragenden Tarifurlaubs (bei einer 5-Tage-Woche) angerechnet.

Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, seinen tariflichen Urlaub zu kürzen, da anders als in § 10 Abs. 1 BUrlG i. d. F. v. 1. Oktober 1996, wonach der Arbeitgeber berechtigt gewesen sei, von je fünf Tagen, an denen der Arbeitnehmer in Folge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation an seiner Arbeitsleistung verhindert sei, die ersten zwei Tage auf den Erholungsurlaub anzurechnen und die angerechneten Tage als Urlaubstage galten, § 10 BUrlG i. d. F. d. Korrekturgesetzes vom 19. Dezember 1998, in Kraft seit 1. Januar 1999, dahin geändert sei, dass Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht auf den Urlaub angerechnet werden dürften, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehe. Die Neufassung des § 10 BUrlG verbiete generell die Anrechnung von Kuraufenthalten auf den Erholungsurlaub. Die vorgenommene Anrechnung verstoße daher gegen die gesetzliche Regelung.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Anrechnung von vier Urlaubstagen auf einen

Zeitraum vom 11. Februar 1999 bis einschließlich 18. März 1999

durchgeführte Kur unwirksam war und die Beklagte zu verpflichten, die dem

Kläger angerechneten vier Urlaubstage zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte war der Auffassung, dass es sich bei § 18 MTV Nr. 5 um eine eigenständige Regelung handele, die nicht durch die gesetzlichen Änderungen des § 10 BUrlG zum 1. Januar 1999 ersetzt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Die Beklagte sei berechtigt gewesen, sechs Urlaubstage auf die fünfwöchige Kur des Klägers anzurechnen. § 18 Nr. 5 MTV gelte auch nach der Änderung des Bundesurlaubsgesetzes zum 1. Januar 1999, denn er stelle eine konstitutive -eigenständige- Regelung der Tarifvertragsparteien dar. Der Tarifvertrag übernehme mit seiner Wahlmöglichkeit - zwei Urlaubstage pro Kurwoche oder nach Wahl des Arbeitnehmers Einbringung von entsprechenden Freizeitansprüchen - nicht nur die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 1 BUrlG in der damals gültigen Fassung sondern eröffne dem Arbeitnehmer zusätzlich noch die Möglichkeit, die Anrechnung eines Kuraufenthaltes auf den Erholungsurlaub dadurch zu verhindern, dass er hierfür Freizeitansprüche aus dem Arbeitszeitkonto verwende. Der MTV erweitere somit die gesetzliche Vorschrift. Die tarifliche Norm erhalte damit eine eigenständige, dem Gesetz unbekannte Wahlmöglichkeit. Damit hätten die Tarifvertragsparteien eigenes Recht gesetzt. Darüber hinaus werde diese Rechtsauffassung dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit gerecht.

Gegen das ihm am 12. Januar 2000 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn richtet sich die am 11. Februar 2000 eingelegte und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. April 2000 - am 10. April 2000 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger greift das arbeitsgeric...

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