Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzeröffnung. Freigabe nach § 35 II InsO
Leitsatz (amtlich)
Eine Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 II InsO bezieht sich nur auf Ansprüche, die nach der Freigabeerklärung fällig sind.
Normenkette
ZPO § 240; InsO § 35 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 17.09.2010; Aktenzeichen 2 Ca 563 a/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.09.2010 – 2 Ca 563 a/09 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Neumünster zurückverwiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Zahlungsanspruch aus einem beendeten Arbeitsverhältnis gegen den Beklagten geltend.
Der Kläger war im Februar und März 2009 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 24 d. A.) beim Beklagten beschäftigt. Ausweislich der Abrechnungen des Beklagten stehen ihm für Februar EUR 739,11 netto und für März EUR 524,87 netto zu. Wegen dieser Forderungen hat der Kläger am 16.04.2009 die in diesem Verfahren zu entscheidende Klage erhoben. Das Arbeitsgericht hat dem Klagantrag am 05.05.2009 durch Versäumnisurteil entsprochen. Im Juni 2009 trafen sich die Parteien im Büro des Beklagten. Anlässlich dieses Treffens kam es zur Übergabe der Arbeitspapiere. Ob die Lohnforderung des Klägers vom Beklagten bar beglichen wurde, ist streitig.
Am 30.07.2009 hat das Amtsgericht Neumünster das Insolvenzverfahren über den Beklagten eröffnet. Mit am 01.08.2009 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben hat der Insolvenzverwalter angezeigt, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners (Haushaltsauflösung, Hausmeisterdienst und Immobilienverwaltung) nicht zur Insolvenzmasse gehöre und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden könnten, § 35 Abs. 2 InsO (Bl. 92 d. A.).
Der Kläger hat behauptet, er habe am 03.06.2009 nur den Empfang der Arbeitspapiere quittiert. Die Überweisung des Lohnes sei ihm zugesagt worden. Eine Barzahlung des Lohns sei nicht erfolgt. Am 09.06.2009 sei er nicht im Büro gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 5. Mai 2009 aufrechtzuerhalten und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.254,87 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 auf 730,00 EUR und seit dem 1. April 2009 auf weitere 524,87 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 5. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, der Kläger sei am 09.06., nicht am 03.06.2009, in seinem Büro gewesen und habe neben dem Zeugnis und den Arbeitspapieren seinen gesamten Nettolohn in bar ausgezahlt erhalten.
Das Arbeitsgericht Neumünster hat – in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung über den Beklagten – nach umfangreicher Beweisaufnahme über die vom Beklagten behauptete Erfüllung dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben.
Gegen das ihm am 08.10.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 06.11.2009 (Telefax) und am 09.11.2009 (Originalschriftsatz) Berufung eingelegt, die er am 04.12.2009 durch Telefax und am 08.12.2009 durch Originalschriftsatz begründet hat.
Der Beklagte trägt vor:
Er nehme den Rechtstreit im Hinblick auf die Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO auf. Die hier geltend gemachten Ansprüche beträfen insolvenzfreies Vermögen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft, da das Arbeitsgericht eine Beweiswürdigung unterlassen habe. Die Aussage der Zeugin M., die eine Barzahlung bekundet habe, sei nicht gewürdigt worden. Auch stehe nach der Aussage der Zeugin M. fest, dass der Kläger Geld erhalten habe.
Der Beklagte beantragt:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.09.2009 – 2 Ca 563 a/09 – wird abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Forderungen des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung von Arbeitslohn für Februar 2009 in Höhe von EUR 739,11 netto und für März 2009 in Höhe von EUR 524,87 EUR zur Insolvenztabelle bezüglich des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten festzustellen, und zwar für die B., W. Straße, N., als Gläubigerin,
hilfsweise hierzu,
den Rechtstreit an das Arbeitsgericht Neumünster zurückzuverweisen.
Er trägt vor:
Dem Beklagten fehle die Aktivlegitimation für die Berufung. Er, Kläger, sei Insolvenzgläubiger. Diese Rechtsstellung könne nicht durch eine Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO beseitigt werden.
Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei zutreffend. Die Aussage der Zeugin stehe im krassen Widerspruch zur Aussage des Beklagten.
Mit Schreiben vom 02./12.11.2009 habe er Insolvenzgeld für die hier streitigen Zahlungen bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt, sodass diese nunmehr aktivlegitimiert sei. Der Insolvenzverwalter habe die angemeldete Forderung bestritten. Deswegen nehme er das Verf...