Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit von Entschädigungsansprüchen gem. § 15 Abs. 2 AGG
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Verfahren gem. § 240 ZPO wegen Eröffnung der Insolvenz unterbrochen, erlässt das Arbeitsgericht jedoch entgegen § 249 Abs. 2 ZPO dennoch ein Urteil, so ist auf die Berufung der Rechtsstreit wieder an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Diese Zurückverweisung hat nur deklaratorischen Charakter, weshalb ihr das Zurückverweisungsverbot des § 68 ArbGG nicht entgegensteht.
2. In einem solchen Berufungsverfahren, das alleine auf die Verletzung von § 249 Abs. 2 ZPO gestützt wird, bleibt der erstinstanzlich obsiegende Insolvenzschuldner Partei, wenn nicht der Insolvenzverwalter/Treuhänder gem. § 85 InsO das Verfahren aufgenommen hat oder ohne Aufnahme gem. § 85 InsO staatlichen Rechtsschutz begehrt.
3. Entschädigungsansprüche gem. § 15 Abs. 2 AGG sind pfändbar und unterfallen deshalb der Insolvenzmasse. Sie sind nicht gem. § 36 Abs. 1 InsO vom Insolvenzbeschlag ausgenommen.
Normenkette
ArbGG § 68; AGG § 15; ZPO § 240
Verfahrensgang
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.03.2011 (30 Ca 1772/10) wird hinsichtlich seiner Ziff. 1 samt dem zugrundeliegenden Verfahren ab dem 21.10.2010 aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Berufung – an das Arbeitsgericht Stuttgart zurückverwiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung wegen Behinderung.
Ursprünglich machte der Kläger in seiner Klage neben Entschädigungsansprüchen auch Arbeitsentgelt, Fahrtgeld und Auslöse für den Monat Dezember 2009 geltend, sowie Schadenersatz wegen entgangener Vergütungsansprüche der Monate Januar und Februar 2010.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Über das Vermögen des Klägers wurde nach Klageerhebung mit Beschluss des Amtsgerichts K. vom 21.10.2010 (660 IK 607/10) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhänder wurde Herr Rechtsanwalt S. S. bestellt. Eine Aufnahme des Verfahrens durch den Treuhänder erfolgte nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 16.03.2011 im Hinblick auf die zweitinstanzlich allein noch streitige Entschädigungszahlung teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 EUR zugesprochen. Die Klage auf Vergütung, Fahrgeld und Auslöse für den Monat Dezember 2009 wurde als unzulässig abgewiesen. Die Klage auf Schadenersatz wegen entgangener Vergütung für die Monate Januar und Februar 2010 wurde als unbegründet abgewiesen.
Dieses Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 18.03.2011 zugestellt. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil am 18.04.2011 Berufung ein, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 20.06.2011 am 20.06.2011 begründet wurde.
Die Beklagte beanstandet eine Verletzung materiellen Rechts. Sie setzt sich mit den Gründen des Arbeitsgerichts auseinander und vertritt weiterhin die Auffassung, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nicht zustehe.
Nach Hinweis durch das Gericht, geht die Beklagte nunmehr davon aus, dass das Urteil des Arbeitsgerichts wegen Unterbrechung aufgrund Insolvenzeröffnung gar nicht hätte ergehen dürfen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.03.2011 (Az. 30 Ca 1772/10) mitsamt zugrundeliegendem Verfahren ab dem 21.10.2010 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Stuttgart zurückzuverweisen.
Der Kläger stellte keine Sachanträge.
Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 09.08. und 10.08.2011 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren beantragt. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 10.08.2011 die Verhandlung und Entscheidung in der Sache im schriftlichen Verfahren angeordnet und als Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, auf den 31.08.2011 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet. Auf diese Berufung musste das Urteil im Hinblick auf Ziffer 1 des Tenors teilweise aufgehoben werden und das Verfahren an das Arbeitsgericht Stuttgart zurückverwiesen werden.
I.:
Die gem. § 64 Abs. 1, 2 Buchstabe b ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.
1. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt gem. §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO.
2. Trotz Insolvenzeröffnung blieb im vorliegenden Verfahren, soweit es zur Berufung anfiel, der Kläger Partei und somit auch Berufungsgegner. Es bestand keine Veranlassung für die Beklagte, den Treuhänder vor dessen Aufnahme des Verfahrens gem. § 85 Abs. 1 InsO als Partei zu bezeichnen.
a) Es wird davon ausgegangen, dass das Verfahren, soweit es zur Berufung angefallen ist, wegen Insolvenz...