Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmen der Höhe der einem Beschäftigten zu zahlenden erfolgsabhängigen Vergütung bei 100%-iger Zielerreichung
Leitsatz (redaktionell)
Eine individuelle Übung ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit, im Gegensatz zu der betrieblichen Übung, das kollektive Element fehlt. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, welcher er nach § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat. Die Zuordnung eines Geldbetrags zu einem bestimmten Leistungsgras ist dementsprechend keine eigenständige Vergünstigung. Tatsächlich geleistet wird vielmehr die variable Vergütung in Form der Provision. Der Provisionstopf i.S.d. Zuordnung von Leistungsgrad und Geldbetrag stellt nur eines von mehreren Elementen zur Berechnung der variablen Vergütung dar.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 27.04.2022; Aktenzeichen 2 Ca 583 a/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 27.04.2022 - 2 Ca 583 a/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger ab dem Jahr 2021 bei 100%-iger Zielerreichung zu zahlenden erfolgsabhängigen Vergütung.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Chemischen Industrie, gehört zum internationalen J... & J... Konzern. In ihrem Außendienst beschäftigt sie etwa 490 Arbeitnehmer, darunter den Kläger. Der Außendienst gliedert sich in verschiedene B... U... bzw. Geschäftsbereiche. Der Kläger arbeitet in der B... U... D... und zählt zu den sog. "Sales Reps". Er war ursprünglich bei der Fa. S... GmbH beschäftigt. Nach dem mit der Fa. S... GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag vom 11./15.07.2008 und der gleichzeitig geschlossenen Provisionsvereinbarung hatte der Kläger Anspruch auf ein festes Monatsgehalt und daneben auf "Provisionen aus dem jeweils gültigen Provisionssystem". In der Provisionsvereinbarung heißt es u.a.: "Derzeit ist bei einer Zielerreichung von 100 % eine Jahresprovision in Höhe von 25.000 € brutto erreichbar. Die Ziele werden auf der Grundlage einer realistischen Vorplanung jährlich neu definiert".
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 01.07.2014 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Im Unterrichtungsschreiben vom 27.6.2014 (Anlage K 8) zum Betriebsübergang teilte die Beklagte Folgendes mit:
"Unverändert bleibt auch die erfolgsabhängige Vergütung, also Ihre Provision."
Im Betrieb der Beklagten gilt eine "Rahmenbetriebsvereinbarung über variable Vergütung von Vertriebsmitarbeitern" vom 31.03.2015 (Anlage K 3, im Folgenden "RBV"). Dort heißt es unter Ziff. 2:
"Vergütungsstruktur
(1) Die Vergütung der Arbeitnehmer des Außendienstes besteht grundsätzlich aus zwei Vergütungsbestandteilen, einem fixen Vergütungsbestandteil und einem variablen Bestandteil.
(2) Die Höhe des fixen Vergütungsbestandteils ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag ...
(3) Jährliche BU-bezogene Provisionssysteme: Für die im Betrieb N... ansässigen B... U... gelten unterschiedliche Provisionssysteme. Die Provisionssysteme sind auf das Kalenderjahr befristet. Der Arbeitgeber stellt dem Betriebsrat die BU-bezogenen Provisionssysteme für das Folgejahr vor Ablauf des laufenden Jahres, spätestens im Februar des Folgejahres, vor.
(4) Die Provisionssysteme sind mitbestimmt; sie bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Betriebsrats. Die generelle "Provisionssystematik" wird bis Mitte/Ende Januar des Folgejahres vorgestellt."
Auf dieser Grundlage verhandeln die Betriebspartner jährlich auf die B... U... bezogene Provisionsmodelle. Vereinbart werden u.a. Progressionswerte und Auszahlungsschwellen. Beispielhaft wird auf die Anlagen C... 1 und 4 verwiesen.
Die Arbeitsvertragsparteien trafen für jedes Kalenderjahr eine Zielvereinbarung, die zuletzt nicht immer unterschrieben wurde. Über die Höhe der bei Erreichung eines bestimmten Zielerreichungsgrads zu zahlende Provision verhandelten sie in dem Zusammenhang nicht. Allerdings wurde der bei 100%-iger Zielerreichung zu zahlende Betrag in der Zielvereinbarung erwähnt.
Die Zielprovision belief sich zumindest seit 2015 bei 100%-iger Erreichung der Ziele (Zielerreichungsgrad 100 %) auf 40.000,00 EUR brutto. Bei einem geringeren Zielerreichungsgrad wurde weniger gezahlt, bei höherem Zielerreichungsgrad wurde eine Übererfüllungsprämie gezahlt nach Maßgabe der im betreffenden Jahr geltenden Progressionsskala.
Anfang des Jahres 2021 kündigte die Beklagte an, die Provision für sämtliche Mitarbeiter ihrer drei Geschäftsbereiche "E...", "C..." und "D..." zu vereinheitlichen. Das "Provisionsmodell" für 2021 sieht in seiner letzten mit dem Betriebsrat vereinbarten Version für die Gruppe der Sales Rep bei einem Zielerreichungsgrad (ZEG) von 100 % eine Provision in Höhe von 36.000,- EUR vor, im Kalenderjahr 2022 eine Provision von 34.000,- EUR und im Kalenderjahr 20...