Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. grobe Beleidigung. Konzentrationslager. Nationalsozialismus. Zweiwochenfrist. Außerordentliche Kündigung wegen grober Beleidigung (Konzentrationslager)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bildet in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung (im Anschluss an: BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 584/04 –).

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 2 Ca 1290 a/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünster vom 15. Dezember 2005, Aktenzeichen 2 Ca 1290 a/05, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich ist eine außerordentliche Kündigung der Beklagten.

Der am 14.02.1948 geborene Kläger türkischer Herkunft ist bei der Beklagten als angelernter Chemiehelfer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von EUR 2.500,– beschäftigt.

Die Beklagte stützt die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 15.07.2005, dem Kläger zugegangen am 18.07.2005, auf eine grobe Beleidigung des Klägers im Zusammenhang mit der Aushändigung einer Abmahnung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach einem bewilligten Türkeiurlaub vom 20.06. bis 24.06.2005 war der Kläger für den 27.06.2005, um 13:25 Uhr zur Arbeit eingeteilt. Aufgrund einer Panne verpasste er am 27.06.2005 seinen geplanten Rückreiseflug und konnte seinen Dienst nicht termingerecht antreten. Hiervon unterrichtete er die Linienkoordinatorin, die Zeugin S…, telefonisch um 18:30 Uhr. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Zeugin S… daraufhin erklärte, dass er an diesem Tag nicht mehr zu kommen brauche.

Die Beklagte verfasste daraufhin das Abmahnungsschreiben vom 28.06.2006 folgenden Inhalts:

„Sie hatten Urlaub vom 20.06.2005 bis zum 24.06.2005. Am Montag, den 27.06.2005 erwarteten wir Sie um 13:25 Uhr zur Arbeitsaufnahme. Um 18:30 Uhr meldeten Sie sich telefonisch bei Frau S… und teilten mit, dass Sie nicht zur Arbeit kommen können, da der Flug aus der Türkei nach Deutschland Verspätung hat.

Wenn Sie aus dem Urlaub zurück erwartet werden und Ihre Arbeitsaufnahme eingeplant ist, ist es Ihre Pflicht, sich unverzüglich und rechtzeitig vor der Arbeitsaufnahme bei einer Arbeitsverhinderung mit Ihrem Vorgesetzten in Verbindung zu setzen. Um eine optimale Personaleinsatzplanung durchführen zu können und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten, ist eine rechtzeitige Abmeldung vor Arbeitsbeginn erforderlich.

Aufgrund Ihrer verspäteten Meldung mahnen wir Sie ab. Sollten Sie sich weitere gleiche oder gleichartige arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, müssen Sie mit ernsthaften Konsequenzen für Ihr Arbeitsverhältnis rechnen.”

Am 30.06.2005 suchten der Linienleiter, der Zeuge L., und die Zeugin S. den Kläger an dessen Arbeitsplatz auf, um ihm die Abmahnung auszuhändigen. Der Kläger beanstandete, dass sich aus dem Inhalt der Abmahnung nicht ergebe, dass er gegenüber der Zeugin S. ausdrücklich angeboten habe, den Rest der Schicht noch zu arbeiten, was die Zeugin S. jedoch abgelehnt habe. Auf Wunsch des Klägers wurde das Gespräch im Beisein des Betriebsratsmitglieds F. in dessen Büro fortgesetzt. Im Verlauf des Gesprächs schob der Zeuge L. schließlich dem Kläger das Abmahnungsschreiben über den Tisch hinweg mit einer energischen Bewegung zurück. Daraufhin erklärte der Kläger sinngemäß „Ist das hier Konzentrationslager oder was?” Hiervon unterrichtete der Zeuge L. den Fertigungsleiter, den Zeugen Sch., per E-Mail am 30.06.2005 und nochmals persönlich am Freitag, den 01.07.2005. Am 01.07.2005 hörte der Zeuge Sch. zudem das Betriebsratsmitglied F. zu dem strittigen Personalgespräch vom 30.06.2005 an. Daraufhin lud er den Kläger unter Hinweis auf das Erörterungsthema zu einem Personalgespräch am 05.07.2005 ein, an welchem ebenfalls die Zeugen Sch., L. und S. teilnahmen. Auf Wunsch des Klägers nahm zudem der Mitarbeiter Y. als Übersetzer teil. Auf Nachfrage bestätigte der Kläger, dass er die strittige Erklärung abgegeben habe. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens wies der Zeuge Sch. den Kläger laut und energisch auf den Bedeutungsgehalt des Wortes Konzentrationslager und die Tragweite seiner Äußerung hin. Er erklärte, dass die Beklagte eine besondere, wertschätzende Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern als Firmenphilosophie (Credo, Bl. 66 d.GA.) habe und dass dessen Äußerung auch und gerade vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Herrschaft des Dritten Reichs völlig inakzeptabel sei. Der Zeuge Y. übersetzte für den Kläger. Nach einer kurzen Pause antwortete der Kläger, dass er es so nicht gemeint habe. Er habe sich vielmehr ungerecht behandelt gefühlt. Es ist zwischen den Parteien ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge