Leitsatz
Dienstleistungen, die darin bestehen, Forschungsarbeiten und Entwicklungsarbeiten im Umweltbereich und Technologiebereich auszuführen, und die von in einem Mitgliedstaat ansässigen Ingenieuren im Auftrag und zugunsten eines Dienstleistungsempfängers erbracht werden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, sind als "Leistungen von Ingenieuren" i.S.v. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL einzustufen.
Normenkette
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e und c der 6. EG-RL, Art. 52 Buchst. a, Art. 56 Abs. 1 Buchst. c EGRL 112/2006 (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a und Abs. 4 Nr. 3 UStG)
Sachverhalt
Kronospan (Sitz in Polen) erbrachte für einen Kunden mit Sitz in Zypern Dienstleistungen auf dem Gebiet der technischen Untersuchungen und Analysen, führte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften durch (Untersuchungen im Zusammenhang mit der Emission von CO2). Ziel: Erlangung und Anwendung neuer Kenntnisse und neuen technologischen Wissens betreffend Herstellung neuer Stoffe, Erzeugnisse und Anlagen.
Entscheidung
Die Dienstleistungen von Kronospan waren – nicht typisch für wissenschaftliche Leistungen – nur einem zyprischen Empfänger erbracht worden. Dass dieser die Ergebnisse der Arbeiten von Kronospan möglicherweise an viele Dritte oder an Gesellschaften verkauft hat, die zu derselben Gruppe wie er gehören, war für die Beurteilung der Leistung unerheblich.
Hinweis
1. Zweifelhaft war im Besprechungsfall, ob Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Umwelt- und Technologiebereich, die von inländischen Ingenieuren im Auftrag und zugunsten eines Dienstleistungsempfängers erbracht werden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, als "Leistungen von Ingenieuren" (Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-RL; vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG) oder als "Tätigkeiten auf dem Gebiet der Wissenschaft" (Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich; vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG) einzustufen sind. Davon hängt der Leistungsort ab. Liegen Ingenieurleistungen vor, ist der Ort des Leistungsempfängers maßgebend; bei wissenschaftlichen Leistungen ist der Tätigkeitsort entscheidend.
2. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-RL (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG) nennt zwar bestimmte Berufe, wie die des Rechtsanwalts, Beraters, Buchprüfers oder Ingenieurs. Nach ständiger Rechtsprechung sind damit jedoch nur die spezifischen Tätigkeiten dieser genannten Berufe definiert.
a) |
Der Ingenieursberuf umfasst nicht nur Leistungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Kenntnisse und bestehende Prozesse auf konkrete Probleme anzuwenden, sondern auch Leistungen mit dem Ziel, neue Kenntnisse zu erwerben und neue Prozesse zur Lösung dieser oder neuer Probleme zu entwickeln. |
b) |
Die in Art. 9 Abs. 2 Buchst. c (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) bezeichneten Leistungen (Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der Veranstalter solcher Tätigkeiten) sind dagegen insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie sich an eine Vielzahl von Empfängern richten, nämlich an alle Personen, die in unterschiedlicher Weise an Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts oder der Unterhaltung teilnehmen. |
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 07.10.2010, C-222/09 – Kronospan –