Leitsatz
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL und Art. 56 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass derjenige, der bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen Beratungsdienstleistungen in Anspruch nimmt und selbst gleichzeitig wirtschaftliche Tätigkeiten und außerhalb des Anwendungsbereichs dieser RL liegende Tätigkeiten ausübt, als Steuerpflichtiger anzusehen ist, selbst wenn die Dienstleistungen nur für Zwecke der letztgenannten Tätigkeiten genutzt werden.
Normenkette
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e L 77/388/EWG, Art. 56 Abs. 1 Buchst. C MwStSystRL (vgl. § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG)
Sachverhalt
Eine Stiftung schwedischen Rechts, die sowohl wirtschaftliche als auch nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, will Beratungsleistungen aus Dänemark in Anspruch nehmen, die ausschließlich ihren nicht wirtschaftlichen Bereich betreffen. Fraglich war der Leistungsort, denn davon hängt ab, ob nach Art. 21 Nr. 1 Buchst. b der 6. EG-RL/Art. 196 MwStSystRL der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG).
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH entspricht der ausdrücklichen Regelung in § 13b Abs. 2 S. 3 UStG, wonach der Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die Steuer in den in Abs. 1 Nrn. 1-3 genannten Fällen auch dann schuldet, wenn er die Leistung für den nicht unternehmerischen Bereich bezogen hat.
Hinweis
1. Leistungsort für bestimmte Dienstleistungen wie z.B. Beratungsleistungen ist nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL, Art. 56 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (trotz anderen Wortlauts ebenso § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG) der Ort, "an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort". Steuerschuldner ist bei Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers der Leistungsempfänger, wenn dieser ein "steuerpflichtiger Empfänger" (Art. 21 Nr. 1 Buchst. b der 6. EG-RL/Art. 196 MwStSystRL; "Unternehmer"§ 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG) ist.
Entscheidend ist deshalb, ob die Art. 9 Abs. 2 Buchst. e und Art. 21 Nr. 1 Buchst. b der 6. EG-RL/Art. 56 Abs. 1 Buchst. c und Art. 196 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass derjenige, der Beratungsdienste bei einem Steuerpflichtigen aus einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nimmt und selbst sowohl eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit als auch eine nicht unter die RL fallende Tätigkeit ausübt, für die Anwendung dieser Bestimmungen auch dann als Steuerpflichtiger anzusehen ist, wenn die Dienstleistung nur für die letztgenannte Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Der EuGH hat das bejaht.
2. Die Regelungen über den Leistungsort dienen der Verhinderung von Kompetenzkonflikten. Zunächst ist zu prüfen, ob eine der Sonderregelungen für bestimmte Leistungen einschlägig ist; ist das nicht der Fall, gilt die Grundregel: Leistungsort ist der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistenden (s.o. unter 1.). Die Regelungen stellen nicht darauf ab – anders als z.B. die Regelung über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug –, ob die Leistung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit bezogen wird, sondern nur darauf, wer Empfänger der Leistungen ist, m.a.W. ob dieser Steuerpflichtiger i.S.d. Gemeinschaftsrechts (bzw. Unternehmer i.S.d. UStG) ist. Dies entspricht dem Zweck der Regel, dass die Gefahren der Doppelbesteuerung und der Nichtbesteuerung vermieden werden sollen, und erlaubt eine einfache Handhabung der Regel. Denn um zu klären, ob der Ort der Erbringung der Dienstleistung in dem Mitgliedstaat liegt, in dem er selbst ansässig ist, oder in dem Mitgliedstaat, in dem der Leistungsempfänger den Sitz seiner Tätigkeit hat, braucht der Dienstleistende nur anhand der USt-IdNr. zu ermitteln, ob der Empfänger Steuerpflichtiger ist. Das entspricht Art. 43 MwStSystRL in der ab 01.01.2010 geltenden Fassung.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 06.11.2008 – Rs. C-291/07