Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Auslegung der Regelung über den Dienstleistungsort gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie (ab 1. 1. 2007: Art. 56 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) bzw. der Regelung über die Verlagerung der Steuerschuld auf den Empfänger der Dienstleistung (Reverse Charge) gemäß Art. 21 Abs.1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (ab 1. 1. 2007: Art. 196 MwStSystRL).
Die Klägerin ist eine schwedische Stiftung, die in geringem Umfang (5 % der Gesamttätigkeit) wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeiten ausübt (und deshalb in Schweden als Mehrwertsteuerpflichtiger eingetragen ist) und im Übrigen (so von den schwedischen Finanzbehörden eingestuft) nichtunternehmerisch handelt (ihr Satzungszweck besteht insoweit darin, bei Kündigungen von Arbeitnehmern Abfindungen zu zahlen und Maßnahmen zu fördern, die die Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz für Arbeitnehmer erleichtern, denen gekündigt worden ist oder denen eine Kündigung droht, und andererseits die Beratung und Unterstützung von Unternehmen bei bestehendem oder drohendem Personalüberhang sowie die Förderung der Unternehmensentwicklung in Bezug auf den Personalbereich).
Die Klägerin beabsichtigte, Beratungsleistungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie von einem in Dänemark ansässigen Unternehmer in Anspruch zu nehmen, die ausschließlich für die nichtunternehmerische Tätigkeit der Klägerin verwendet werden sollten. Streitig war, ob es dies zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Schweden führt bzw. ob die Klägerin Schuldner der Umsatzsteuer aus den von ihr bezogenen Dienstleistungen werden kann.
Die Klägerin argumentierte, ihre Eintragung als Mehrwertsteuerpflichtiger führe nicht ohne weiteres dazu, sie immer als Unternehmer anzusehen. Insoweit als sie Dienstleistungen für ihre nichtunternehmerische Tätigkeit beziehe, liege keine Unternehmereigenschaft vor. Die schwedischen Finanzbehörden meinten, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e und Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie setzten nicht voraus, dass der Leistungsbezieher bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung als solcher handele. Es sei nicht erforderlich, dass die Leistung für Zwecke der unternehmerischen Tätigkeit bezogen werde.
Das schwedische Gericht bat den EuGH um Vorabentscheidung, ob die Eintragung einer Person als Mehrwertsteuerpflichtiger für Zwecke der hier auslegungsbedürftigen Vorschriften dazu führt, dass die Person in jedem Fall (auch bei einem Leistungsbezug für einen nichtunternehmerischen Bereich) als Steuerpflichtiger anzusehen ist.
Entscheidung
Der EuGH hat die Frage bejaht.
Allen hier einschlägigen Vorschriften ist nach der Entscheidung nicht zu entnehmen, dass sie voraussetzen, dass der Bezieher einer Leistung im Zeitpunkt des Leistungsbezug als Steuerpflichtiger (im Sinne des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie bzw. im Sinne des Art. 9 MwStSystRL) handeln muss mit der Folge, dass es nur unter dieser Voraussetzung zu einer Verlagerung des Leistungsorts im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-Richtlinie bzw. im Sinne von Artikel 56 MwStSystRL kommt und dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. Richtlinie bzw. im Sinne von Art. 196 MwStSystRL wird. Voraussetzung für die Anwendung der hier betroffenen Vorschriften ist lediglich, dass der Leistungsbezieher ein Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 4 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 9 MwStSystRL ist, d.h. den Status eines Steuerpflichtigen hat. Er muss im Zeitpunkt des Leistungsbezugs hinsichtlich dieses Bezugs nicht als solcher handeln.
Dies ergibt sich insbesondere aus einem Vergleich des Wortlauts der hier angesprochenen Vorschriften mit den Regelungen über den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuersystems. Art. 2 Nr. 1 und Art. 28a Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, b und c MwStSystRL setzen als Bedingung, dass ein Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt, jeweils voraus, dass ein Steuerpflichtiger, der diesen Umsatz bewirkt, dabei als solcher (als Steuerpflichtiger) handelt. Eine solche Bedingung kennen die im Ausgangsverfahren angesprochenen Vorschriften jedoch nicht.
Infolge dieser Sichtweise werden auch Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten bei der Steuererhebung bzw. der Anwendung des Rechts durch die Wirtschaftsbeteiligten vermieden. Durch das Abstellen auf den Status des Leistungsempfängers als Steuerschuldner werden Steuerausfälle verhindert, die dadurch eintreten, dass bestimmte Leistungen von Unternehmern, die nicht im Inland eines Mitgliedstaates ansässig sind, entweder gar nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten im üblichen Besteuerungsverfahren, d.h. im Wege der Steuerschuldnerschaft des die Leistung ausführenden Unternehmers erfasst werden können. Da die im Ausgangsverfahren angesprochenen Richtlinienvorschriften nur Steuerpflichtige als Leistungsempfänger zur Entrichtung der Mehrwertsteuer verpflichten, kann der Mitgliedstaat, in dem die...