Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1065
In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob die Inhaltskontrolle für weite Sicherungszweckerklärungen bei Grundschulden eröffnet ist. Inhalt und Umfang einer schuldrechtlichen Zweckbindungserklärung sind gesetzlich nicht festgelegt. Sie unterliegen weitestgehend der freien Vereinbarung. Es gibt – anders als etwa für die Bürgschaft in § 767 Abs. 1 S. 3 BGB (siehe dazu Stichwort "Bürgschaft", Rdn 789) – für die Sicherungsgrundschuld kein gesetzliches Leitbild. Der BGH geht daher davon aus, dass die Bestimmung der gesicherten Forderung, also auch weite Sicherungszweckerklärungen als kontrollfreie Vereinbarung der Hauptleistungspflichten zu behandeln sind. Die bei Grundschulden gesetzlich nicht geregelte Zweckbindung gemäß § 307 Abs. 3 BGB soll damit der Inhaltskontrolle entzogen und § 305c Abs. 1 BGB alleiniger Prüfungsmaßstab sein. Diese Auffassung überzeugt nicht.
Rz. 1066
Der sich aus der Sicherungsabrede ergebende Freigabeanspruch für den Fall der Gläubigerbefriedigung kann nicht abdingbar sein. Jeder Vertrag über die Bestellung einer Sicherheit begründet auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis. Der Freigabeanspruch ergibt sich bei einer Auslegung des Sicherungsvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB aus dem fiduziarischen Charakter von Sicherungsrechtsgeschäften und der Interessenlage der Vertragsparteien. Soweit Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt werden, also eine endgültige Übersicherung vorliegt, ist ihr weiteres Verbleiben beim Sicherungsnehmer ungerechtfertigt. Es ist aber anerkannt, dass allgemeine Rechtsgrundsätze und die aus einer ergänzenden Vertragsauslegung resultierenden Pflichten und Rechte durchaus als Kontrollmaßstab gemäß § 307 Abs. 3 BGB heranzuziehen sind. Das vom BGH herangezogene Argument, der Grundschuldschuldner sei weniger schutzwürdig als ein Bürge, weil seine Haftung auf sein Grundstück und damit auf sein gegenwärtiges Vermögen beschränkt sei, rechtfertigt keinen Ausschluss der Inhaltskontrolle. Der Grundschuldschuldner könnte sogar doppelt in Anspruch genommen werden. Ferner bestimmt die 2008 durch das Risikobegrenzungsgesetz eingefügte Vorschrift des § 1192 Abs. 1a BGB, dass für den Fall eines Grundschulderwerbs der Eigentümer Einreden, die ihm aufgrund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch dem Erwerber entgegensetzen kann. Hierbei handelt es sich durchaus um eine gesetzliche Regelung i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, sodass die Sicherungsabrede im Rahmen einer Grundschuldbestellung nicht von der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ausgenommen werden darf.
Rz. 1067
Schließlich hat der BGH eine Klausel, durch die der Eigentümer, der nicht zugleich der persönlich haftende Schuldner ist, in der Grundschuldbestellungsurkunde auch die persönliche Haftung für die gesicherten Forderungen übernimmt, gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (= § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) als unwirksam angesehen. Bei der Übernahme der persönlichen Haftung handelt es sich um ein abstraktes Schuldversprechen i.S.v. § 780 BGB. Der Gläubiger braucht weder die Darlehensauszahlung noch das Bestehen des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu beweisen, sondern es bleibt dem Schuldner überlassen, im Rahmen der Einrede aus § 821 BGB ihr Nichtbestehen zu beweisen. Für sich genommen ist eine solche Vereinbarung in AGB zwar nicht gemäß § 309 Nr. 12 BGB unwirksam, da sich die Beweislastumkehr aus der Wahl eines gesetzlichen Rechtsinstituts ergibt, soweit aber die Übernahme mit einer Grundschuldbestellung verknüpft wird, steht die Übernahme der persönlichen Haftung im Widerspruch zum Charakter der Grundschuld. Diese in dogmatischer Hinsicht hinkende Begründung macht aber deutlich, dass auch der BGH schon 1991 dazu tendiert hat, den Begriff der "Rechtsvorschriften" in § 8 AGBG (= § 307 Abs. 3 BGB) weit auszulegen.
Rz. 1068
Neben einem Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB kommt bei einer weiten Sicherungszweckabrede daher ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB in Betracht. Hierfür streitet schließlich § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach vertragsbegleitende Umstände bei der Frage, ob eine Bestimmung in den AGB bei Verbraucherverträgen eine unangemessene Benachteiligung beinhaltet, heranzuziehen sind. Dazu zählt eine Überrumplungssituation. Eine vorformulierte weite Sicherungszweckerklärung ist regelmäßig das Ergebnis von Vertragsverhandlungen, bei denen ein erhebliches Ungleichgewicht in der Verhandlungsstärke der Vertragsparteien der Regelfall war. Eine Überrumplungssituation begründet eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB und zwar auch dann, wenn auf die Reichweite der Erklärung individuell hingewiesen wurde. Soweit der Sicherungsgeber eine fremde Schuld sichert, ist eine weite Sicherungszweckerklärung über den Anlass der Sicherheitenbestellung hinaus vertragszweckwidrig i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB und stellt ein erhebliches Risi...