Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1732
Qualitätssicherungsvereinbarungen nehmen zu Recht eine essentielle Stelle im Spannungsverhältnis Recht und Politik eines jeden Unternehmens ein. Europäische Firmen werden im internationalen Wettbewerb nur bestehen, wenn diese auf Qualität statt auf Masse setzen. Damit ist Qualität ein Wettbewerbsparameter, der im engen Zusammenhang mit den Begriffen "Marktpositionierung" und "Standortfaktor" steht.
Rz. 1733
In einem zunehmend globalen Wettbewerb werden die den Kauf bestimmenden Parameter wie Preis und Leistung, Qualität, Haltbarkeit, Garantie, Design und anderes nur beschränkt zu beeinflussen sein. Qualität alleine reicht aber keinesfalls aus, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, vielmehr kommt auch dem Zeitmoment entscheidende Bedeutung zu.
Rz. 1734
Auszugehen ist von folgender Lieferantenkette: Hersteller – Lieferant/Systemlieferant – Lieferant – Komponentenhersteller.
In all diesen Verhältnissen kommen Qualitätssicherungsvereinbarungen in Betracht, die dazu dienen, höchstmögliche Qualität in kürzestmöglicher Zeit zu ermöglichen.
Rz. 1735
Qualitätssicherungsvereinbarungen sollen einerseits präventiv eine größtmögliche Qualität des fertigen Produktes gewährleisten, andererseits aber auch im Krisen- und Haftungsfall für Transparenz und Ausgewogenheit in der Abwicklung sorgen. Qualitätssicherungsvereinbarungen stehen jedoch auch für Schwierigkeiten, Verantwortungsbereiche abzugrenzen: Was hätte der Lieferant erkennen und mitteilen müssen, was der Hersteller?
Wichtig ist daher, dass in den Verträgen Hersteller/Lieferant präzise die Verantwortung abgegrenzt wird, dass Kostenfragen klar geregelt und der Prozess des Zusammenarbeitens z.B. beim simultaneous engeneering transparent wird.
Rz. 1736
Die Bedeutung von AGB ist in diesen Vereinbarungen immens. Werden diese Formularvereinbarungen nicht inhaltlich zur Disposition gestellt mit der Bereitschaft, diese möglicherweise auch abzuändern, so liegen zweifelsohne AGB vor. Wird dagegen ein Muster als Diskussionsgrundlage besprochen und werden alle Passagen inhaltlich zur Disposition gestellt wie auch einige Passagen inhaltlich zugunsten des Lieferanten abgeändert, so liegt eine Individualabrede nahe, d.h. die Schutzbestimmungen zu AGB finden dann keine Anwendung.
Rz. 1737
Wie § 307 Abs. 3 S. 1 BGB deutlich macht, fallen Bestimmungen über den Preis und die Leistung selber nicht in den Bereich der Inhaltskontrolle, denn hierfür besitzt das dispositive Recht keinen Gerechtigkeitsgehalt. Vereinbarungen über eine versteckte Preiserhöhung und Zusatzkosten unterliegen dagegen uneingeschränkt der Inhaltskontrolle.
Rz. 1738
Obliegenheiten des Lieferanten, z.B. zur Dokumentation, können jedoch unschwer in Qualitätssicherungsvereinbarungen festgeschrieben werden, ohne hierfür ein gesondertes Entgelt festzuschreiben. Zusatzleistungen können jedoch überraschend sein nach § 305c Abs. 1 BGB: Insbesondere, wenn an versteckter Stelle zeit- und kostenaufwendige Arbeiten des Lieferanten gefordert werden, die mit der allgemeinen Vergütung abgegolten sein sollen, kann eine Überraschung vorliegen mit der Folge, dass diese Klausel nicht Vertragsbestandteil wird.
Rz. 1739
Eine unangemessene Verteilung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) führt nicht zu überraschenden Klauseln, sondern kann ausnahmsweise zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB führen.
Rz. 1740
Der Inhaltskontrolle unterliegen auch Regelungen,
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die eine Haftung des Lieferanten vorsehen, obwohl dieser nicht den Mangel oder Fehler verursacht hat, ihn hieran kein Verschulden trifft oder der Hersteller trotz zumutbarer Aufklärung des Lieferanten an der risikoreichen Konstruktion festhalten wollte; |
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wonach der Lieferant den Hersteller von produktspezifischen Entwicklungsleistungen vollständig entlasten soll; |
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wenn der Hersteller sein besonderes Wissen zu Risiken und Gefahren dem Lieferanten nicht zur Verfügung stellt, um diesen so unter Haftungsdruck zu nehmen; |
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wonach der Lieferant nach außen voll haftet, auch wenn im Innenverhältnis ein Haftungsanteil des Herstellers besteht; |
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die den Hersteller befreien sollen von eigenen Pflichten wie Überwachung des Lieferanten, Erstbemusterung, Überprüfung von Auditierung und Zertifizierung sowie notwendiger Kommunikation und Erfahrungsaustausch. |
Rz. 1741
Im Grundsatz unbedenklich sind demgegenüber folgende Regelungen:
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Anforderungen an das Lieferanten-Qualitätsmanagementsystem, |
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Abgrenzung der qualitätsbezogenen Verantwortlichkeiten, |
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Definition der Schnittstellen zwischen Kunden und Lieferanten, |
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Festlegung der gegenseitigen Informationspflichten, |
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Berechtigung des Kunden zu bestimmten Audits, |
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Dokumentation der Q-Daten, Aufbewahrungszeiten, Berichtswesen, |
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Festlegung des Produktionsprozess- und Produktfreigabeverfahrens, |
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Maßnahmen zur Fehlervermeidung/-erkennung/-behebung, |
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Festlegung gemeinsamer Qualitätsergebnisse, |
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Vereinbarung zur Anlieferqualität und zur Produktzuverlässigkeit, |
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Abstimmung von Prüfungen und Prüfverf... |