Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zuständigkeit für Eingriffe in die elterliche Sorge
Leitsatz (redaktionell)
Zur Abgrenzung der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts von derjenigen des Familiengerichts für Eingriffe in das elterliche Sorgerecht
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1 S. 1 (vom 18.07.1979), § 1671 Abs. 1 (vom 18.07.1979), § 1696 Abs. 1 (vom 18.07.1979)
Verfahrensgang
AG Soest (Beschluss vom 11.12.1996; Aktenzeichen 5 c VII L 1030) |
Tenor
wird auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 17.12.1996 der Beschluß des Amtsgerichts Soest vom 11.12.1996 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Soest – Familiengericht – verwiesen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligte zu 2) ist die Mutter der Beteiligten zu 1). Vater der Beteiligten zu 1) ist Herr H.… M.…. Die zwischen ihm und der Beteiligten zu 2) vormals geschlossene Ehe ist zwischenzeitlich geschieden worden. Wie sich im Rahmen der Anhörung der Beteiligten zu 2) im Termin vom 23.04.1997 herausgestellt hat, ist dieser die elterliche Sorge für die Beteiligte zu 1) im Rahmen des Scheidungsverfahrens übertragen worden. Nachdem im Rahmen einer Anhörung der Beteiligten zu 1) bei der Kriminalpolizei in Soest verschiedene Verletzungen bei ihr festgestellt worden sind, hat sich im weiteren Verlauf des Verfahrens herausgestellt, daß die Beteiligte zu 1) mehrfache Verletzungen erlitten hat und vergewaltigt worden ist. Durch Beschluß des Amtsgerichts Soest vom 11.12.1996 ist daher nach Anhörung der Beteiligten zu 2) im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer anderweitigen Hauptsacheentscheidung “Vormundschaft” angeordnet und das beteiligte Amt zu 3) zum Vormund bestellt worden. Im Anhörungsprotokoll vom 11.12.1996 heißt es:
“Gegenwärtig:
Richter am Amtsgericht W.…
als Vormundschaftsrichter.”
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Beteiligten zu 2) mit ihrer Beschwerde vom 17.12.1996, der der Richter des Amtsgerichts nicht abgeholfen hat. Die Akte ist daraufhin dem Landgericht Arnsberg – Beschwerdekammer – zur Entscheidung vorgelegt worden.
Die gern. den §§ 19, 20 FGG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist (vorläufig) begründet. Das Amtsgericht hat nicht beachtet, daß der Beteiligten zu 2) die elterliche Gewalt in einem Verfahren gern. § 1671 BGB übertragen worden ist. Ist im Interesse des Kindes eine Änderung einer solchen Maßnahme geboten, so ist ein Abänderungsverfahren gern. § 1696 BGB einzuleiten, in dem gern. § 1671 Abs. 5 BGB auch die Übertragung der Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes auf eine dritte Person in Betracht kommen kann, wenn keinem der Elternteile die elterliche Gewalt überantwortet werden kann. Das Abänderungsverfahren nach den §§ 1696, 1671 BGB hat grundsätzlich den Vorrang vor Maßnahmen nach § 1666 BGB, weil die Voraussetzungen des Abänderungsverfahrens gegenüber dem Verfahren nach § 1666 BGB wesentlich erleichtert sind (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 1851, 852). Daraus folgt, daß die Überprüfung nach § 1696 Abs. 3 i. V. m. § 1671 Abs. 5 BGB ein Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge für ein eheliches Kind betrifft, so daß es sich daher gern. § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GVG um eine Familiensache handelt, zu deren Entscheidung das Familiengericht berufen ist (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Um Maßnahmen im Sinne der §§ 1666, 1671 Abs. 5 BGB handelt es sich bei denjenigen Maßnahmen, die das Amtsgericht im angefochtenen Beschluß vom 11.12.1996 getroffen hat. Zwar heißt es im Tenor, es werde “Vormundschaft angeordnet”. Da jedoch gern. § 1773 BGB ein Minderjähriger nur dann einen Vormund erhält, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheit zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind oder dann, wenn der Familienstand des Minderjährigen nicht zu ermitteln ist, kann es sich vorliegend nicht um ein isoliertes Vormundschaftsverfahren handeln, weil die vorgenannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn die Beteiligte zu 2) hatte bis zum Erlaß des Beschlusses vom 11.12.1996 die elterliche Sorge betreffend die Beteiligte zu 1). Daraus folgt, daß das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluß der Beteiligten zu 2) jedenfalls die Personensorge, wenn nicht auch die Vermögenssorge entziehen wollte. Das ergibt sich auch aus der Bezugnahme auf Bl. 3 des angefochtenen Beschlusses auf § 1666 BGB. Es handelt sich demnach um einen Beschluß, mit dem jedenfalls Teile des Rechts der elterlichen Sorge der Beteiligten zu 2) entzogen worden sind. Dieses Verfahren hätte aber gem. § 1671 Abs. 5, § 1696 Abs. 3 BGB durch das Familiengericht geführt werden müssen.
Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben. Er kann auch nicht als eine Abänderungsentscheidung nach den vorgenannten Paragraphen umgedeutet werden. Für das Abänderungsverfahren ist nämlich das Familiengericht ausschließlich zuständig. Das vom Amtsgericht eingesc...