Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Ein Mißbrauch der Stimmrechtsmacht des Mehrheitseigentümers ist gegeben, wenn er in der Eigentümerversammlung seinen anwaltlichen Interessenvertreter auftreten läßt, aber es durch den Einsatz seiner Stimmenmehrheit den übrigen Wohnungseigentümern verwehrt, auch anwaltlich beraten zu sein.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Frau S. war Alleineigentümerin des Grundstücks. Hierauf befanden sich 17 Wohnungen. Durch Teilungserklärung wandelte sie das Eigentum in Wohnungseigentum um. Nach ihrem Tod am 11.3.1983 wurde sie von S. allein beerbt. In der Folgezeit veräußerte S. je eine Eigentumswohnung an die vier Antragsteller, ferner eine Wohnung an Frau H. Eine weitere Wohnung überließ er Frau S., zwei weitere Wohnungen überließ er Herrn S. Herrn S. gehören somit noch neun Wohnungen. Nachdem zunächst nach der Teilungserklärung die Fa. S. für die Dauer von fünf Jahren zum Verwalter bestellt worden war, wurde später die jetzige Verwalterin, Frau S., Verwalterin der Wohnanlage.
In § 31 - Wohnungseigentümerversammlungen - der Teilungserklärung ist zu Nr. 7 u.a. bestimmt, daß auf jede Eigentumswohnung eine Stimme entfällt; Nr. 8 bestimmt: Jeder Wohnungseigentümer kann sich in einer Versammlung entweder durch seinen Ehegatten, durch einen der anderen Wohnungseigentümer oder durch den Verwalter vertreten lassen, und zwar mit schriftlicher Vollmacht, welche der Niederschrift beizufügen ist. Eine solche Vollmacht ist nicht erforderlich, wenn eine Eigentumswohnung einem Ehepaar gehört und nur ein Ehegatte an der Versammlung teilnimmt. Die Bestimmungen des § 25 Absatz 1 und 2 dieser Gemeinschaftsordnung bleiben unberührt. Das Mitbringen eines Beraters ist einem Wohnungseigentümer nur gestattet, wenn die anwesenden und die vertretenen Wohnungseigentümer das Verbleiben des Beraters in der Versammlung mit einfacher Mehrheit genehmigen.
Mit Schreiben v. 17.7.1985 lud die Verwalterin die Wohnungseigentümer zu einer Eigentümerversammlung für den 7.8.1985, 10.00 Uhr, in das Sitzungszimmer der Rechtsanwältin R. ein. In dem Einladungsschreiben wurde die Vertretung der Verwalterin durch Frau R. gerechtfertigt.
In der Niederschrift über die Versammlung heißt es u.a.:
"Seitens des Wohnungseigentümers Herrn S. wurde beantragt, über den Ausschluß der anwaltlichen Berater der Wohnungseigentümer A. und B. zu beschließen. Der Antrag des Wohnungseigentümers S. stützte sich auf § 31 Abs. 8 der Teilungserklärung. Mit 12 Ja-Stimmen, abgegeben von Frau S., Herrn S. und Herrn S., wurde beschlossen, die anwaltlichen Berater der Wohnungseigentümer A. und B. von der Wohnungseigentümerversammlung auszuschließen. Dagegen stimmten die Wohnungseigentümer L., A., B. und J. die übrigen Wohnungseigentümer enthielten sich der Stimme. Aufgrund des mehrheitlich gefaßten Beschlusses verließen die anwaltlichen Berater der Wohnungseigentümer A. und B. die Eigentümerversammlung."
Die Antragsteller und Wohnungseigentümer A. und B. hatten als Berater ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zur Versammlung mitgebracht. Die Antragsteller A. und B., denen sich die Eigentümer J. und L. angeschlossen haben, halten es u.a. für unzulässig, daß die Berater der Eigentümer A. und B. durch die Mehrheitsstimmen S. von der Versammlung ausgeschlossen wurden. Sie halten dieses Vorgehen für rechtswidrig und beantragen, sämtliche in der Eigentümerversammlung am 7.8.1985 gefaßten Beschlüsse für unwirksam zu erklären.
Die Beteiligten Wohnungseigentümer S. und die Verwalterin begründen ihren Abweisungsantrag vor allem unter Bezugnahme auf die klare Regelung der Teilungserklärung.
Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Zwar hätten die Eigentümer S. und die Verwalterin die Regelung der Teilungserklärung auf ihrer Seite. Ausgangspunkt sei, daß die insgesamt 12 Wohnungen, die den Familienangehörigen S. zustehen, vermietet sind, also nicht von den Eigentümern bewohnt werden, während die Wohnungen der Antragsteller und der Frau H. auch von den Wohnungseigentümern selbst genutzt werden. Während das Interesse der Wohnungseigentümer bei vermieteten Wohnungen hauptsächlich auf die Erzielung von Mieteinnahmen gerichtet sei, liege das Interesse der selbst bewohnenden Wohnungseigentümer darin, die Substanz ihres Eigentums zu erhalten, die Wohnungen und Gebäude in gutem Zustand zu erhalten und möglichst die Kostenbelastung gering zu halten. Da den Wohnungseigentümern durch das Einladungsschreiben der Verwalterin bekannt gewesen sei, daß nicht die Verwalterin persönlich, sondern die Rechtsanwältin R. als Vertreterin die Wohnungseigentümerversammlung leiten würde, sei es das legitime Recht der Wohnungseigentümer gewesen, sich soweit sie gewollt hätten, unter Inkaufnahme der entsprechenden finanziellen Belastung einen juristischen Berater hinzuzuziehen. Demgegenüber könne die Bestimmung in der Teilungserklärung nur dann ihre Berechtigung haben, wenn jeder Wohnungseigentümer nur eine Stimme habe und nach dem Kopfprinzip die tatsächlic...