Verfahrensgang
AG Berlin-Neukölln (Entscheidung vom 22.12.2011; Aktenzeichen 18 C 199/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 22. November 2011 - 18 C 199/11 - wird dieser teilweise abgeändert und der Beklagten zu 2 auch insoweit Prozesskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt xxxxxxx bewilligt, soweit sie sich gegen den Klageantrag zu 1 (Räumung und Herausgabe) verteidigt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 ist begründet. Denn ihre Rechtsverteidigung hat auch insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig, soweit sie sich gegen die geltend gemachte Pflicht zur Räumung und Herausgabe der Mieträume wehrt.
Ob die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. Juni 2011 das Mietverhältnis beendet hat, ist eine schwierige und nicht geklärte Rechtsfrage, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden ist (vgl. dazu nur Fischer, in: Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 114 Rn 20, und Geimer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rn 21).
Denn die Frage, ob der Mieter auch dann im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB mit der Mietzahlung in Verzug ist, wenn er zur Begleichung der Miete auf Leistungen des Jobcenters angewiesen ist und die eingetretenen Zahlungsverzögerungen auf Fehlern des Jobcenters beruhen, ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof für fristlose Kündigungen gemäß § 543 Abs. 1 BGB entschieden, dass sich der Mieter im Rahmen der Abwägung nach § 543 Abs. 1 BGB ein etwaiges Verschulden des Jobcenters nicht anrechnen lassen muss (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, Rn 27, 30) und es abgelehnt, ein Verschulden des Mieters schon mit dem Verweis auf § 276 Abs. 1 S. 1 BGB zu begründen nach welchem der Schuldner grundsätzlich das Risiko unverschuldeten Geldmangels zu tragen hätte (a.a.O., Rn 25).
Der Klägerin - und dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts - ist zwar darin beizupflichten, dass der Mieter auch bei Sozialleistungsempfang grundsätzlich selbst gegenüber dem Vermieter zur (pünktlichen) Mietzahlung verpflichtet bleibt und mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit grundsätzlich kein Umstand ist, den der Schuldner im Sinne des § 286 Abs.4 BGB nicht zu vertreten habe. Ebenso trifft es zu, dass im Rahmen des § 543 Abs. 2 BGB eine Einzelabwägung wie im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB nicht stattfindet.
Jedoch ist damit die Frage, ob in einem Fall wie dem hiesigen (in welchem die Nichtzahlung der Miete in den Monaten Mai und Juni 2011 allein auf einem Fehler des Jobcenters beruhen dürfte) ein zur Kündigung berechtigender Verzug eintritt, noch nicht entschieden. Denn zutreffend verweisen die Beschwerdeführerin und Blank, in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 543 Rn 95, 97, darauf, dass Verzug nicht eintritt, wenn der Schuldner die Nichtleistung nicht zu vertreten hat, und dass ein Vertretenmüssen jedenfalls nicht aus dem Verschulden des Jobcenters begründet werden kann, da ihm dieses nicht zugerechnet wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn 27). Der für § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB notwendige Verzug kann damit hier im wesentlichen nur noch mit der mangelnden eigenen Leistungsfähigkeit des Mieters begründet werden. Ob der Bundesgerichtshof dies zulassen würde, erscheint jedenfalls offen.
Klargestellt sei, dass ein Fall, in welchem die verspätete oder unterbleibende Mietzahlung durch das Jobcenter auf mangelnder Mitwirkung des Mieters gegenüber dem Jobcenter beruhen würde, anders zu beurteilen wäre - ebenso wie Fälle, in denen das Jobcenter die notwendigen Beträge an den Mieter überweist, dieser sie aber nicht (rechtzeitig) an den Vermieter weiterleitet.
Da der Beschluss des Amtsgerichts vom 22. November 2011 in seinem nicht angefochtenen Teil der Beklagten zu 2 hinsichtlich des Zahlungsantrages in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt hat, muss davon ausgegangen werden, dass das Amtsgericht insoweit hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung sieht. Damit bestehen dann - jedenfalls sieht das Beschwerdegericht sich gehalten, dies entsprechend anzunehmen - auch hinreichende Erfolgsaussichten für die Verteidigung gegen den Räumungsantrag, soweit dieser sich auf Mietrückstände stützt, die nicht von der oben dargestellten offenen Rechtsfrage betroffen sein sollten.
II.
Eine Gebühr für die erfolgreiche Beschwerde sieht das GKGKV nicht vor (vgl. insb. Nr. 1812). Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 4010597 |
NZM 2013, 121 |
Info M 2012, 10 |