Leitsatz (amtlich)
Das Nichtbeachten eines ein Stop-Schildes ist kein alkoholtypischer Fahrfehler, da das Nichtbeachten des Stop-Schildes auch bei nicht alkoholisierten Fahrzeugführern zu beobachten ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.09.2008; Aktenzeichen (410 Gs) 3031 Pls 10195/08 (30/08) Jug) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin vom 11. September 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 5. September 2008 wird aus den weiterhin zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen hat, verworfen, § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Ergänzend ist auszuführen:
Das Vorbringen in der Beschwerde vom 11. September 2008 entkräftet die Begründung des Beschlusses vom 5. September 2008 nicht. Es sind weiter keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Beschuldigten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Ungeeignetheit demnächst durch Urteil entzogen wird.
Eine nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis allein in Betracht kommende relative Fahruntüchtigkeit liegt nicht vor. Sie erfordert im Einzelfall den Nachweis, dass der Fahrer infolge Alkoholgenusses nicht mehr imstande ist, sein Fahrzeug eine längere Strecke, auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen sicher zu steuern (vgl. Kammergericht DAR 59, 269). Maßgebend zur Beurteilung der relativen Fahrunsicherheit sind die Umstände in der Person des Fahrers und/oder seiner Fahrweise (BGH VRS 33, 119). Eine relative alkoholbedingte Fahrunsicherheit kann nur festgestellt werden, wenn weitere Beweisanzeichen, wie rauschbedingte Ausfallerscheinungen oder grobe Fahrfehler, hierfür vorhanden sind (vgl. Schönke/Schröder, 27. Aufl., § 316 StGB, Rn. 16 m.w.N.). Hierunter fallen beispielsweise das Fahren in Schlangenlinien oder das Geradeausfahren in Kurven. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung rechtfertigt nicht jeder Fahrfehler die Annahme der relativen Fahrunsicherheit (vgl. OLG Düsseldorf DAR 80, 190), insbesondere nicht Fahrfehler, die auch nüchternen Fahrern unterlaufen (vgl. BGH VRS 36, 174). Weiter kommen als Beweisanzeichen u.a. eine starke Benommenheit, lallende verwaschene Sprache oder ein unsicherer Gang in Betracht.
Der Beschuldigte zeigte im Rahmen der Polizeikontrolle und der Blutabnahme keine alkoholtypischen Ausfallerscheinungen. Soweit der Beschuldigte ein Stop-Schild nicht beachtet haben soll, handelt es sich nicht um einen alkoholtypischen Fahrfehler, sondern um einen Fehler, der auch nüchternen Fahrern unterläuft. Zwar wird in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass ein bewusst verkehrswidriges Verhalten als Beweisanzeichen der relativen Fahrunsicherheit gewertet werden könne, wenn der Entschluss hierzu auf eine alkoholbedingte Enthemmung zurückzuführen sei (vgl. OLG Düsseldorf VM 77, 28; LG Gera DAR 96, 156 f.). Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis spricht vieles dafür, dass die versuchte Flucht des Beschuldigten vor der Polizei die Ursache für das Überfahren des Stop-Schildes war. Das mehrmalige Ändern der Fahrtrichtung stellt keine Verkehrsordnungswidrigkeit dar.
Fundstellen
Haufe-Index 3027789 |
BerlAnwBl 2009, 230 |