rechtskräftig
Leitsatz (amtlich)
1. Der vormals berechtigten Besitzerin ist gemäß §§ 940a Abs. 1 1. Alt. ZPO, 861 BGB durch einstweilige Verfügung der durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitz an der Wohnung wieder einzuräumen, wenn sie glaubhaft macht, dass ihr der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden war sowie dass der Besitz der Verfügungsbeklagten ihr gegenüber fehlerhaft ist. Es obläge dem gegenüber den Verfügungsbeklagten darzutun, dass sie den Besitz an der Wohnung im Sinne des § 858 Abs. 2 BGB gutgläubig erworben hätten; dazu müssten sie vortragen, wer ihnen die Wohnung wann zu welchen Konditionen überlassen haben soll, auf welche Rechte an der Wohnung sich diese Personen beriefen und von wem diese ein Recht zum Besitz der Wohnung abgeleitet haben sollen. Waren die Verfügungsbeklagten selbst gar nicht in der Lage, eine wirksame Entscheidung über ihren Einzug in die Wohnung zu treffen und die Rechtmäßigkeit ihrer Inbesitznahme der Wohnung zu beurteilen, dürfte es außerdem auch darauf ankommen, ob diejenigen Personen, die die Verfügungsbeklagten in die Wohnung verbrachten und sie dort quasi als ihre Besitzmittler installierten, ihrerseits der Verfügungsklägerin gegenüber fehlerfreien Besitz an der Wohnung erworben hatten; auch dies wäre von den Verfügungsbeklagten darzutun.
2. Da es der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten ist, dass das Gericht den durch verbotene Eigenmacht begründeten Besitz der Verfügungsbeklagten auch nur vorübergehend perpetuiert, kommt die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO nicht in Betracht; die Verfügungsklägerin dürfte sich einer verbotenen Eigenmacht schließlich gemäß § 859 BGB sogar durch Gewalt erwehren. In Fällen des Erlasses einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 1 ZPO wegen durch verbotene Eigenmacht indizierter Dringlichkeit ist eine Räumungsfrist grundsätzlich nicht zu gewähren.
3. Die Berufung ist nach Zustellung des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 18.11.2021; Aktenzeichen 238 C 226/21) |
Tenor
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 18. November 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 238 C 226/21 – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Zu Recht hat das Amtsgericht durch einstweilige Verfügung auf Räumung und Herausgabe der Wohnung erkannt. Die Einwände der Berufung greifen nicht durch. Zweifel an der Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts bestehen nicht, so dass das Berufungsgericht gemäß § 529 ZPO an diese gebunden ist.
In prozessualer Hinsicht zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagten am 9. September 2022 durch Versäumnisurteil zur Räumung sowie Herausgabe der Wohnung verpflichtet und das Versäumnisurteil auf den Einspruch der Beklagten durch das angefochtene Urteil bestätigt. Die Beklagten mögen selbst prozessunfähig sein, sind aber gemäß §§ 51 ZPO, 1902 BGB a. F. gesetzlich durch ihren – unter anderem für die Bereiche Wohnungsangelegenheiten und Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellten – Betreuer Rechtsanwalt L… vertreten gewesen. Diesem sind zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 9. September 2022 sowohl die Antragsschrift vom 19. November 2021 als auch die anderen verfahrensrelevanten Dokumente zugestellt worden; das ist durch das bei den Akten befindliche Empfangsbekenntnis vom 26. August 2022 (vgl. Bl. II/39 d. A.) belegt und steht auch deswegen außer Zweifel, weil der Betreuer zum Termin der mündlichen Verhandlung erschienen ist und im Namen der Verfügungsbeklagten einer Teilrücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugestimmt hat, ohne im Sinne des § 295 Abs. 1 ZPO zu rügen, dass ihm die Antragsschrift gar nicht zugestellt worden sei. Sollte der Betreuer es anlässlich der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten tatsächlich versäumt haben, diesen vollständig über die ihm zugestellten Unterlagen zu informieren, so wäre dieses Versäumnis den Verfügungsbeklagten als eigenes zuzurechnen; für das Amtsgericht ist zudem nicht erkennbar geworden, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich unzureichend über Ablauf und Stand des Verfahrens informiert gesehen haben könnte.
Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch in materieller Hinsicht nichts zu erinnern; es hat die Verfügungsbeklagten gemäß §§ 940a Abs. 1 1. Alt. ZPO, 861 BGB zu Recht zur Wiedereinräumung des der Verfügungsklägerin durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes an der Wohnung verurteilt; denn die Ve...