Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 7 C 549/90)

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil der Kammer vom 3. September 1991 wird aufrechterhalten.

2. Die Kläger haben die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Gründe

Das Versäumnisurteil ist aufrechtzuerhalten (§ 343 ZPO), denn die Berufung ist unbegründet. Der Räumungsanspruch nach § 556 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil die Kündigungen vom 17.10.89 und 01.01.91 unwirksam sind.

Durch § 2 (3) der Vereinbarung über die Durchführung von Mietermaßnahmen vom 18.09.83 (Bl. 76 d. A.) sind die Kündigungsgründe des Eigenbedarfs und wirtschaftlichen Verwertbarkeit im Sinne des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB, auf die beide Kündigungen gestützt sind, wirksam ausgeschlossen worden.

Die Zulässigkeit, einzelne Kündigungsgründe vertraglich auszuschliessen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 564 b Abs. 6 BGB und ist allgemein anerkannt (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdz. IV/63; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 1989, Rdz. TV/137; Emmerich/Sonneschein, Miete, 6. Aufl., § 564 b BGB Rdz. 112; OLG Karlsruhe, ZMR 85, 122, 124; LG Kaiserslautern, MDR 83, 56 f; LG Mannheim WM 77, 258 und WM 75, 72). Davon zu unterscheiden ist der Fall, daß das ordentliche Kündigungsrecht vollständig (nicht nur einzelne Kündigungsgründe) und auf Dauer ausgeschlossen wird. Eine solche Vereinbarung wäre unter Umständen unwirksam, weil sie im Widerspruch zum Wesen des Mietvertrages als Einräumung eines vorübergehenden Gebrauchsrechts steht (Emmerich/Sonnenschein a.a.O., § 564 BGB Rdz. 7).

Der Ausschluß der Kündigungsgründe des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB bedeutet nicht etwa faktisch den gesamten unbefristeten Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts. Andere im Rahmen des § 564 b Abs. 1 und § 564 b Abs. 2 Nr. 1 BGB anerkannte berechtigte Interessen kann der Vermieter durchaus geltend machen. Es wird sogar die Ansicht vertreten, daß bei vertraglich vereinbarten Modernisierungsmaßnahmen des Mieters das Recht des Vermieters zur ordentlichen Kündigung befristet oder unbefristet ausgeschlossen sein könne (Blümel/Blömeke, Die Modernisierung u. Instandsetzung von Wohnraum 1991, Teil A Rdz. 109). Die hier vereinbarte Kündigungsbeschränkung bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als daß das Vertrauen des Mieters geschützt werden soll, Investitionen abwohnen zu können. Dieses Mieterinteresse ist gemäß § 556 a Abs. 1 BGB auch geschützt. Es kann deshalb auch zur Begründung der Wirksamkeit der Kündigungsbeschränkung herangezogen werden. Die Mustervereinbarung des Bundesjustizministers für Modernisierung durch Mieter (abgedruckt bei Blümel/Blömeke a.a.O., Seite 384 ff., Seite 393) sieht in § 4 Abs. 1 vor, daß der Vermieter für die Abwohndauer auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet. Bedenken bestehen auch nicht deshalb, weil der Wert der Investitionen, hier 10.800,– DM, so gering zu bewerten wäre, daß eine so umfangreiche und langfristige Kündigungsbeschränkung nicht gerechtfertigt wäre.

Die Kündigungsbeschränkung bindet gemäß § 571 BGB auch die Kläger als Rechtsnachfolger des früheren Vermieters. Vertragliche Kündigungsbeschränkungen begründen keine höchstpersönlichen Rechte und Pflichten, die nach dem Rechtsübergang auf den Vermieter ihren Inhalt und Sinn verlieren, sondern sind ihrer Natur nach allgemein, an die Person des Vermieters nicht gebundene Abreden (OLG Karlsruhe ZMR 85, 122, 124).

Durch die Veräußerung ist auch nicht etwa die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung vom 18./19.09.83 entfallen, denn nach dem Parteivortrag hatten die Vertragsschließenden zu dieser Zeit keine für beide Seiten erkennbare Vorstellung der Veräußerung; die Veräußerung ist ein allein im Willens- und Verantwortungsbereich des Vermieters liegender Umstand, der deshalb nicht zur Geschäftsgrundlage geworden sein kann (OLG Karlsruhe ZMR 85, 122, 125).

Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, die Beklagte sei der Überzeugung gewesen, der Vertrag, vom 18.09.83 beträfe die Kündigungsfrist nicht. Der Inhalt des Vertrages ist nicht beweisbedürftig, weil die Klausel über die Kündigungsbeschränkung nach dem eigenen Vortrag der Kläger (Bl. 109) nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen ist. Da diese Frage zwischen den damaligen Vertragsparteien nicht erörtert wurde, ist der Inhalt des Vertrages allein durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

Dabei kommt es auf den Empfängerhorizont an. Die Beklagte durfte aus dem Wortlaut der Formulierung und nach dem äußeren Erscheinungsbild von einer Kündigungsbeschränkung für die Dauer des Mietverhältnisses ausgehen. Eine im Formular einsetzbare zeitliche Begrenzung ist zweifellos nicht erfolgt. Der Strich vor dem Wort „… Jahre” besagt auch nicht, daß die im Formular vorgesehene Kündigungsbeschränkung überhaupt als nicht vereinbart geltend soll. Das Formular sieht an dieser Stelle zwei Möglichkeiten der Ausfüllung vor; wenn beide Möglichkeiten, sowohl die zeitlich begrenzte Kündigungsbeschränkung als auch die zeitlich unbegrenzte Kündigungsbes...

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