Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigtes Interesse an einer Mietvertragskündigung gegenüber dem in das Vertragsverhältnis eingetretenen Familienangehörigen
Orientierungssatz
1. Auch das außerordentliche Kündigungsrecht aus BGB § 569 kann nur unter den Voraussetzungen des BGB § 564b Abs 1, dh bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, ausgeübt werden (Anschluß OLG Karlsruhe, 1989-12-29, 3 REMiet 2/89, WuM 1990, 60). Dasselbe gilt für die außerordentliche Kündigung gemäß ZVG § 57a.
2. Selbstverständliche Folge des Eingreifens der Kündigungsschutzvorschriften ist in diesen Fällen - wie auch im Falle des BGB § 569a -, daß das außerordentliche Kündigungsrecht "leerläuft", wenn nicht zufällig im Zeitpunkt der Möglichkeit seiner Ausübung zugleich ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt.
3. Liegt ein berechtigtes Interesse vor, so führt das Kündigungsrecht des Vermieters gemäß BGB § 569 und ZVG § 57a lediglich zu einer Verkürzung der vertraglichen Kündigungsfrist auf die gesetzliche von drei Monaten.
4. Neben den Kündigungsgründen aus BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 2 und Nr 3 kommt auch derjenige der schuldhaft nicht unerheblichen Vertragspflichtverletzung gemäß BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 1 in Betracht. Allerdings wird dieser letztgenannte Grund wegen der Kürze der Vertragsdauer bis zur ersten und ausschließlichen Kündigungsmöglichkeit selten vorliegen.
Ferner ist zu beachten, daß der Kündigungsgrund des BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 1 nicht in zeitlicher und persönlicher Hinsicht zu erweitern ist; er kann nicht mit dem "wichtigen Grund" des BGB § 569a Abs 5 identisch sein. Subjektive Gründe in der Person des Mieters, die sich auf die Vertragsdurchführung nicht auswirken, sind grundsätzlich keine Gründe im Sinne von BGB § 564b.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 18. Februar 1993 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß ZPO § 543 Abs 1 abgesehen.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Herausgabe- und Räumungsanspruch des Klägers ist unbegründet, weil das Mietverhältnis der Parteien weiter besteht. Die Kündigung des Klägers vom 31.3.1992 hat nicht zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses geführt, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dargelegt hat (§§ 569 a, 564 b BGB). Die Entscheidung der weiteren Frage ob in der Person des Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne von § 569 a Abs. 5 BGB gegeben ist, das Mietverhältnis schon mit der gesetzlichen Frist von 3 Monaten zu beendigen, konnte dahinstehen.
Im Berufungsrechtszug gehen beide Parteien davon aus, daß der Beklagte, unabhängig von seiner Stellung als Erbe/Miterbe, in den Monaten vor dem Tode seines Vaters, der Mieter war, mit diesem einen gemeinsamen Hausstand geführt hat. Damit hat sich das Mietverhältnis nach dem Tode des Vaters mit dem Beklagten als Familienangehörigem und Hausgenossen im Wege der Sonderrechtsnachfolge fortgesetzt (§ 569 a Abs. 2 S. 1 BGB). Der Beklagte hat eine Ablehnungserklärung gemäß § 569 a Abs. 1 S. 2 BGB nicht abgegeben. Er hat vielmehr erklärt, das Mietverhältnis fortsetzen zu wollen, woraufhin der Kläger gemäß § 569 a Abs. 5 BGB die Kündigung ausgesprochen hat, mit der Begründung, in der Person des Beklagten liege ein wichtiger Grund zur Kündigung vor.
Die Kündigung ist, unabhängig von der Frage, ob ein wichtiger Grund in der Person des Beklagten gegeben war, was die angefochtene Entscheidung des Amtsgericht verneint, unbegründet, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters muß - abgesehen von der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses - im Fall der Vermieterkündigung stets vorliegen, denn der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Kündigungsschutzes deutlich gemacht, daß der Kündigungsschutz generell Bestandteil des sozialen Mietrechts ist und dem vertragstreuen Mieter lückenloser Rechtsschutz zu gewähren sei (Bundestagsdrucksache 7/2011, S. 7; Bundestagsdrucksache 7/2638 S. 2). Dementsprechend ist für das außerordentliche Kündigungsrecht aus § 569 BGB ganz unangefochten anerkannt, daß es nur unter den Voraussetzungen des § 564 b BGB, d.h. bei Vorliegen berechtigter Interesse ausgeübt werden kann (OLG Hamburg RE v. 21.9.83 in WM 83, 310; OLG Karlsruhe RE v. 29.12.89 in WM 90 S. 60; BayObLG vom 4.12.85 in WM 85 S. 52). Dasselbe gilt für die außerordentliche Kündigung gemäß § 57 a ZVG (Sternel 3. Aufl. IV Rn. 445; BGHZ 87 S. 90). Selbstverständliche Folge des Eingreifens der Kündigungsschutzvorschriften ist in diesen Fällen - wie auch im Fall des § 569 a BGB -, daß das außerordentliche Kündigungsrecht "leerläuft", wenn nicht "zufällig" im Zeitpunkt der Möglichkeit seiner Ausübung zugleich ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt (so die Argumentation des Landgerichts Nürnber...