Verfahrensgang
AG Berlin-Neukölln (Urteil vom 09.11.1998; Aktenzeichen 14 C 276/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das am 9. November 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 14 C 276/98 – zu 2. und im Kostenpunkt abgeändert:
Der Kläger wird verurteilt, die Wohnung … Berlin, Aufgang 2, 2. OG rechts, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, einer Diele, einer Speisekammer sowie einem Kellerraum, bis zum 31. Mai 1999 zu räumen und geräumt an die Beklagte herauszugeben.
Dem Kläger wird eine Räumungsfrist bis zum 31. August 1999 gewährt.
Die Kosten des Rechtsstreits beide Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§ 511 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 a Abs. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 516, 518, 519 ZPO) Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung ist auch begründet, soweit die Widerklage auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung in erster Instanz abgewiesen worden ist (2); im übrigen ist sie hinsichtlich der Feststellungsklage des Klägers, wonach das Mietverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 2. Juni 1998 beendet ist, unbegründet (1).
1.
Die Kündigung der Beklagten vom 2. Juni 1998 konnte das Mietverhältnis nicht fristlos zum 3. Juni 1998 beenden, weshalb ihre Berufung insoweit unbegründet ist. Denn die Kündigung der Beklagten ist gemäß § 554 a BGB unwirksam. Eine Kündigung aus wichtigem Grund, die darauf beruht, dass einer Partei die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht weiter zumutbar ist, kann u.a. nur dann erklärt werden, wenn die Kündigung als zeitnahe Reaktion zum Kündigungsgrund erklärt wird (vgl. Kinne in Kinne/Schach, Mietvertrags- und Mietprozeßrecht, 2. Aufl., Teil I § 554 a RN 28 m.w.N.). An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Denn die Beklagte konnte ihre Kündigung vom 2. Juni 1998 nicht auf den von ihr behaupteten Diebstahl, den der Kläger begangen haben soll, stützen. Dieser Vorfall ereignete sich am 9. Februar 1998. Eine Kündigung des Mietverhältnisses rund vier Monate später stellt keine zeitgerechte Reaktion auf dieses Fehlverhalten dar, die noch in einem angemessenen Rahmen liegt. Unabhängig von der Frage, in welcher Zeit die Beklagte hätte kündigen müssen, ist eine Reaktion nach vier Monaten jedenfalls verspätet.
2.
Der Beklagten steht der geltend gemachte Räumungsanspruch gegen den Kläger gemäß § 556 Abs. 1 BGB jedoch zum 31. Mai 1999 zu. Denn die Kündigung der Beklagten vom 2. Juni 1998 war als hilfsweise ordentliche Kündigung gem. § 564 b Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB anzusehen, durch die das Mietverhältnis beendet worden ist. Da das Mietverhältnis länger als zehn Jahre bestand, endet es gem. § 565 Abs. 2 BGB zum 31. Mai 1999.
Zwar ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Kündigung nicht allein auf den Vorfall am 9. Februar 1998 gestützt werden kann, da auch hier die erforderliche zeitnahe Reaktion auf den Vertragsverstoß nicht gegeben ist. Nach § 564 b Abs. 2 Nr. 1 BGB kann eine Kündigung jedoch auch auf einen sonstigen wichtigen Grund gestützt werden. Derartige Gründe liegen vor, wenn der Mieter seine Verpflichtungen aus dem Mietvertrag schuldhaft nicht unerheblich verletzt. So liegt der Fall hier. Eine derartig schwere Vertragsverletzung liegt unter anderem dann vor, wenn der Mieter Straftaten begeht, die das Mietverhältnis beeinträchtigen, wie z.B. die Begehung eines Diebstahls innerhalb der Hausgemeinschaft (vgl. LG Berlin GE 1981, 35–37).
Der Kläger hat zunächst in groben Maße gegen die Hausordnung und die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Pflichten verstoßen, indem er im Mai 1998 im Kellerraum des Hauses urinierte. Dieser Vorfall steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die hierzu gehörte Zeugin … hat diesen Vorfall bestätigt. Ihre Ausführungen sind glaubhaft. Denn die Zeugin hatte eine konkrete Erinnerung an diesen Vorfall und schilderte den Vorfall in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Zeugin ist auch glaubwürdig. Soweit der Kläger gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin anführt, sein Verhältnis zu ihr sei durch Spannungen belastet, steht dies ihrer Glaubwürdigkeit nicht entgegen. Denn nach dem Eindruck der Kammer war die Zeugin stets um die Wahrheit bemüht und hat ihre Aussage ohne erkennbaren Belastungseifer gemacht.
Auch wenn dieser Vorfall für sich genommen eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht rechtfertigen könnte, ist der weitere Vorfall vom 9. Februar 1998 zu berücksichtigen. Der dem Kläger vorgeworfene Diebstahl hat sich durch die Beweisaufnahme nach Ansicht des Gerichts ebenfalls bestätigt. Die ebenfalls zu diesem Vorfall gehörte Zeugin … hat auch diese Behauptung der Beklagten glaubhaft und glaubwürdig bekundet. So hat die Zeugin nicht nur den Vorfall als solchen geschildert, sondern konnte detaillierte Angaben sowohl zur...