Leitsatz (amtlich)

Auch ein privates Kreditinstitut muss einem „unerwünschten” Kunden ggf. ein Girokonto auf Guthabenbasis einrichten.

 

Normenkette

BGB § 145; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, §§ 533, 542 Abs. 2 S. 1, § 704

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 18.12.2007; Aktenzeichen 7 C 1009/07)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg vom 18.12.2007 – 7 C 1009/07 – wird die Verfügungsbeklagte verurteilt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Verfügungskläger ein neues Girokonto, das auf Guthabenbasis geführt wird, einzurichten.

2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz zu tragen.

 

Tatbestand

Der Kläger eröffnete bei der Beklagten ein Girokonto, das zur Konto-Nr. 0798728105 geführt wurde. Darauf gingen monatliche Zahlungen von 686,97 EUR ein (Rente und Zahlungen Job-Center). Nachdem Gläubiger des Klägers eine Kontenpfändung erwirkt hatten und die Beklagte keine Perspektive sah, dass in absehbarer Zeit die Pfändung aufgehoben wird, kündigte sie die Kontenverbindung mit Schreiben vom 24.10.2007 gemäß AGB Nr. 19 Abs. 1. Das Konto ist mittlerweile gelöscht. Bei der … unterhielt der Kläger jedenfalls ein Mietkautionskonto.

Der Kläger behauptet, er habe sich bei der …, …, der … und der … vergeblich um die Eröffnung eines Girokontos bemüht, was von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird. Er sei auf das Girokonto bei der Beklagten angewiesen; er habe keines bei der ….

Im Wege der einstweiligen Verfügung hat der Kläger erstinstanzlich beantragt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache das bestehende Konto auf Guthabenbasis fortzuführen, hilfsweise bis dahin entsprechend ein neues Girokonto einzurichten. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg mit Urteil vom 18.12.2007 – 7 C 1009/07 – zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Gewährung eines Girokontos bestehe gegenüber einem privaten Kreditinstitut nicht; im Übrigen habe der Kläger nicht alles Erforderliche getan, sich anderweitig ein Girokonto eröffnen zu lassen.

Der Kläger hat gegen das Urteil, das ihm am 21.12.2007 zugestellt worden ist, mit am gleichen Tage eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom 17.01.2008 Berufung eingelegt und diese mit am gleichen Tage eingegangenen Schriftsatz vom 21.02.2008 begründet.

Der Kläger beantragt, nachdem er seinen Berufungsantrag, bis zur Entscheidung in der Hauptsache das bestehende Konto auf Guthabenbasis fortzuführen,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

A.

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Die Klageänderung in der II. Instanz ist zulässig. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat (vgl. § 533 ZPO).

B.

Die Berufung ist in der tenorierten Form auch in der Sache durchgreifend.

I. Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Einräumung einer Kontoverbindung auf Guthabenbasis – d.h. ohne das Recht zur Überziehung – zu.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus der Empfehlung des ZKA zum sog. „Girokonto für Jedermann”, die – soweit ersichtlich aktuell unter dem Datum vom 2. März 2005 – veröffentlicht und im Internet allgemein zugänglich ist. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen handelt es sich dabei nicht um ein Angebot der Verfügungsbeklagten im Sinne des § 145 BGB. Dies folgt schon daraus, dass es sich nicht um eine Erklärung der Verfügungsbeklagten handelt. Unstreitig ist der ZKA ein Zusammenschluss der Spitzenverbände der deutschen Banken. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass die Verfügungsbeklagte als deutsches Kreditinstitut Mitglied in einem der Bundesverbände ist, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass und auf welcher Grundlage der Bundesverband bzw. der ZKA rechtsverbindliche Erklärungen für eine einzelne Bank abgeben könnte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Erklärung mit Rechtsbindungswillen gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Interessenten vorliegt. Dazu wäre erforderlich, dass in der Erklärung bereits der Wille zur rechtlichen Bindung zum Ausdruck kommt. Zudem müsste ein etwaiges Angebot so bestimmt sein, dass es durch einfaches „ja” angenommen werden kann (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., Rn. 1, 2 zu § 145 BGB). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Gegen einen Rechtsbindungswillen spricht schon, dass in der veröffentlichten Stellungnahme des ZKA lediglich von einer „Empfehlung” an die jeweiligen Mitglieder und von praktischen Hinweisen auf Beschwerdestellen etc. die Rede ist. Aus einer Empfehlung kann aber nach allgemeinem Sprachgebrauch bei Auslegung nach den Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden (§§ 133, 157 BGB) nicht abgeleitet werden, dass damit bereits eine verpflichtende Bindung eingegan...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?