Entscheidungsstichwort (Thema)
Müllentsorgung: Beweislast für die Billigkeit der Müllentsorgungsentgelte in Berlin im Rückforderungsprozess
Leitsatz (amtlich)
Hat der Eigentümer die Entgelte der BSR nur unter Vorbehalt gezahlt und die Unbilligkeit der Tarife gerügt, hat die BSR im Rückforderungsprozeß die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast zur Billigkeit im Sinne des § 315 BGB.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 5. Februar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichtes Tempelhof-Kreuzberg - 4 C 372/02 - geändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 80,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 12. September 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des ersten Rechtszuges fallen dem Kläger zu 2/3 und der Beklagten zu 1/3 zur Last. Die Beklagte hat die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung hat nur mit dem Einwand der Verjährung Erfolg. Sie ist im übrigen zurückzuweisen.
1. Die Beklagte darf gemäß § 222 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung die Rückzahlung der im Jahre 1997 überzahlten Beträge verweigern. Dieses Recht ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auf die vor dem 1. Januar 2002 verjährten Ansprüche anzuwenden. Der Rückzahlungsanspruch für im Jahre 1997 überzahlte Beträge ist mit dem 31. Dezember 2001 verjährt. Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass § 197 BGB a.F. auch für Rückzahlungsansprüche aus Überzahlung wiederkehrender Entgelte für Versorgungsleistungen gilt (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 197 Rdnr. 4). Die vierjährige Verjährungsfrist ist gemäß § 201 BGB a.F. mit dem Ablauf des 31. Dezember 1997 in Gang gesetzt worden. Sie konnte durch die Einreichung der Klage am 2. August 2002 nicht mehr unterbrochen werden, weil sie mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 verstrichen war. Anhaltspunkte für eine sonstige Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.
2. Die Ansprüche für den Zeitraum ab 1998 sind nicht verjährt. Die Verjährung lief gemäß § 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 6 EGBGB, § 197 BGB a.F. für die Ansprüche für 1998 bis einschließlich zum 31. Dezember 2002 und ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die vor Erhebung des Ablaufs der Verjährung erfolgte Klageerhebung gehemmt.
3. Der Kläger kann gemäß § 812 BGB Rückzahlung der noch streitbefangenen Entgelte für die Jahre 1998 bis 2000 in Höhe von 80,66 Euro verlangen, die ihm das Amtsgericht zugesprochen hat. Ein Rechtsgrund dafür, dass die Beklagte dieses Geld behalten darf, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Müllentsorgungs-Entgelt, aber der Anspruch kann in keiner Höhe festgestellt werden, weil die Beklagte einen Anspruch in keiner Höhe dargelegt hat.
a) Die Beklagte hat die volle und uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur primären Darlegungslast des Bereicherungsgläubigers bei Überzahlung von Entgelten für derartige Leistungen (zuletzt BGH NJW 03, 1449 f); gilt ausdrücklich immer nur dann, wenn der Verbraucher vorbehaltlos das Entgelt gezahlt hat. "Ist die Zahlung aber lediglich in Erwartung der Feststellung der Forderung geleistet worden, so hat der (Bereicherungsschuldner) zu beweisen, dass die Feststellung zu seinen Gunsten erfolgt ist oder erfolgen muss" (BGH NJW 89, 161, 162). Der Bereicherungsschuldner muss die Berechtigung des Behaltendürfens darlegen und beweisen, wenn der Bereicherungsgläubiger gegen das Zahlungsverlangen des Bereicherungsschuldners abredegemäß keine Einwendungen erheben und abredegemäß nur ein Rückforderungsverlangen geltend machen darf (BGH NJW 89, 1606, 1607). Dafür reicht es aus, wenn der Nutzer die Berechtigung des Anspruches bestreitet und sich bei der Zahlung ausdrücklich die Rückforderung wegen unbilliger Tarife vorbehält. Dieses Kriterium ist natürlich erst Recht erfüllt, nachdem der Kläger im Zahlungsprozess der Beklagten gegen ihn mit dem im hiesigen Prozess erhobenen Einwänden ausgeschlossen und auf einen Rückforderungsanspruch verwiesen worden ist. Würde das - auf guten Gründen beruhende - Privileg der Beklagten, dass ihre Verbraucher auch bei noch so berechtigen Einwendungen gegen die Forderung erst einmal zahlen müssen, auch dazu führen, dass ihre Verbraucher trotz Vorbehaltes im Rückforderungsprozess die mangelnde Berechtigung der Forderung der Beklagten darlegen und beweisen müssten, wäre diese Geschäftsbedingung der Beklagten trotz aller guten Gründe evident nichtig.
b) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie in der verlangten oder auch nur irgendeiner Höhe Entsorgungs-Entgelt vom ...