Leitsatz (amtlich)
Überwiegt das Interesse des Mieters an der Herstellung eines ausreichenden Sonnenschutzes auf dem Balkon das Interesse des Vermieters am Schutz der Bausubstanz sowie am Schutz vor optischen und ästhetischen Beeinträchtigungen, kann sich aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch des Mieters auf Genehmigung des – fachgerechten – Anbaus einer Markise ergeben. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Vermieter die Genehmigung davon abhängig machen, dass der Mieter den Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachweist und eine zusätzliche Mietsicherheit leistet.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 06.10.2020; Aktenzeichen 224 C 98/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.10.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 224 C 98/20 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu gestatten, an dem Balkon zu ihrer Wohnung in der S…straße … in 1… Berlin im 3. OG links die fachgerechte Montage der mit Angebot der Firma B… vom 28.02.2020 (Anlage K4) angebotenen Markisenanlage mit einer einfarbigen oder senkrecht gestreiften Markise vorzunehmen Zug um Zug gegen Nachweis des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung durch die Klägerin und Zahlung einer zusätzlichen Kaution für Rückbaukosten in Höhe von 1.500,00 EUR durch die Klägerin an die Beklagte.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 7/10 und die Beklagte 3/10 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die gem. §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin gegen die Beklagte gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Gestattung der Anbringung einer Markise an dem Balkon ihrer Wohnung zusteht. Dabei geht es zutreffend unter Bezugnahme auf die zitierte einschlägige Rechtsprechung davon aus, dass die Zustimmung nicht im freien Ermessen des Vermieters liegt, sondern dieser vielmehr die Zustimmung zu erteilen hat, wenn kein triftiger Grund für deren Verweigerung vorliegt bzw. wenn das Interesse des Mieters an der Veränderung das Interesse des Vermieters an der Verweigerung überwiegt. Ein solcher triftiger Grund liegt nicht vor und das Interesse der Klägerin an der Herstellung eines ausreichenden Sonnenschutzes auf dem Balkon überwiegt das Interesse der Beklagten am Schutz der Bausubstanz sowie dem Schutz vor optischen und ästhetischen Beeinträchtigungen. Der Schutz vor Sonne auf dem Balkon gehört als sozial übliches Verhalten zum berechtigten Wohngebrauch des Mieters (AG München Urteil vom 7.6.2013 – 411 C 4836/13 –, Rn. 39 – juris). Demgegenüber führt die Anbringung der Markise am Balkon der Wohnung der Klägerin nicht zu einer für die Beklagte unzumutbaren optischen Beeinträchtigung des Gebäudes. Eine solche ist nicht näher dargetan. Eine optische Beeinträchtigung wird von der Beklagten lediglich pauschal behauptet, andererseits aber hinsichtlich des Aufstellens eines oder mehrerer Standschirme verneint, was unplausibel erscheint. Insoweit hat auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht ergibt, dass unter Berücksichtigung der Architektur des Gebäudes bzw. der Wohnanlage spezielle gestalterische Aspekte gegen die Anbringung einer Markise ergeben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung eines möglichen Nachahmungseffekts weiterer Mieter. Weshalb mit dem Anbringen von Markisen an weiteren Balkonen eine größere optische Beeinträchtigung verbunden sein sollte, als mit einem vermehrten Aufstellen von Sonnenschirmen, erschließt sich nicht. Auch die Einwände der Beklagten, der Klägerin würden für ihre Zwecke gleich geeignete Mittel zur Verfügung stehen, die eine mildere Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten darstellen würden, greifen aus den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts nicht durch. Insbesondere gewährleistet die Markise gegenüber Sonnenschirmen oder -segeln den größtmöglichen Schutz gegen die Sonne, ohne die Nutzung des Balkons unzumutbar einzuschränken. Schließlich hat sich auch die Behauptung der Beklagten, dass die Montage der Markise zu Schäden an Putz und Mauerwerk, insbesondere zu einer Beschädigung des Wärmeverbundsystems führe, nicht bestätigt.
Die Prüfung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen S… hat ergeben, dass d...