Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Fortgeltung formularmäßig vereinbarter Kündigungsfristen nach Gesetzesänderung
Orientierungssatz
1. Kündigungsfristen in Formularmietverträgen sind auch dann i.S.v. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB "durch Vertrag vereinbart", wenn darin die in § 565 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 29. Oktober 1993 festgelegten Fristen lediglich im einzelnen wiederholt werden.
2. Eine Auslegung des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ergibt, daß hinsichtlich des Begriffs "Vertrag" nicht nach individualvertraglichen und formularvertraglichen Vereinbarungen zu unterscheiden ist (Entgegen LG Hamburg, 19. Juli 2002, 311 S 53/02, WuM 2002, 431).
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 8. Februar 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg - 103 C 521/01 -wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht aufgrund des Mietvertrags vom 22. November 1995 ein Mietverhältnis über die Wohnung ... in der Z. Straße ..., 1... Berlin.
In § 2 des vorbzeichneten Mietvertrages heißt es: “Das Mietverhältnis beginnt am 01.12.1995, es läuft auf unbestimmte Zeit. Kündigungsfristen siehe 2.„.
In § 2 Ziffer 2) heißt es:
“Kündigungsfristen zu 1. a) und b): Die Kündigungsfrist beträgt
3 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums weniger als 5 Jahre vergangen sind,
6 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 5 Jahre vergangen sind,
9 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 8 Jahre vergangen sind,
12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind.„
Mit Schreiben vom 1. September 2001, der Hausverwaltung der Beklagten am 3. September 2001 zugegangen, erklärten die Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses.
Sie sind der Auffassung, die vorbezeichnete Kündigung sei per 30. November 2001 wirksam.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über die Wohnung Z. Straße ..., 1... Berlin, ..., durch die Kündigung der Kläger vom 1. September 2001 mit Ablauf des 30. November 2001 beendet ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, durch die Kündigung sei das Mietverhältnis erst mit Ablauf des 28. Februar 2002 beendet.
Das Amtsgericht hat durch das am 8. Februar 2002 verkündete Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, gemäß Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB finde die Vorschrift des § 573 c Abs. 4 BGB des neuen Mietrechts keine Anwendung, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden seien. Die im Mietvertrag der Parteien vom 22. November 1995 erfolgte wörtliche Wiederholung der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Kündigungsfristen stelle eine vertragliche Vereinbarung dar, weil die damaligen gesetzlichen Vorschriften über die Kündigungsfristen - § 565 Abs. 2 und 3 BGB - nicht zwingend gewesen seien.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 12. Februar 2002 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 25. Februar 2002 Berufung eingelegt und diese mit demselben Schriftsatz begründet.
Die Kläger sind der Auffassung, der vom angefochtenen Urteil in Bezug genommene Rechtsentscheid des Kammergerichts (KG GE 1998, 177) sei wegen der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB vorliegend nicht einschlägig; aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages sei davon auszugehen, dass die vorbezeichnete Übergangsvorschrift nur auf “Echtvereinbarungen„ von Kündigungsfristen Anwendung finde. Die wörtliche Wiedergabe der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Kündigungsfristen stelle eine solche “echte Vereinbarung„ nicht dar. Der Wille des Gesetzgebers sei es vielmehr gewesen, durch die Übergangsvorschrift dadurch Sorge zu tragen, dass für einen Großteil der sog. Altmietverträge die mieterfreundliche kürzere Kündigungsfrist des § 573 c BGB zur Anwendung gelange.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des am 8. Februar 2002 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schöneberg - 103 C 521/01 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über die Wohnung Z. Straße ..., 1... Berlin, durch die Kündigung der Kläger vom 1. September 2001 mit Ablauf des 30. November 2001 beendet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, durch die wörtliche Wiederholung der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Kündigungsfristen in § 2 Ziffer 2) des streitgegenständlichen Mietvertrags sei von den Parteien zum Ausdruck gebracht worden, dass sie eine ausdrückliche Vereinbarung gewollt hätten.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen der §§ 517, 519 und 520 ZPO. Sie ist zulässig, führt jedoch...