Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Verwirkung des Mietzahlungsanspruchs durch Hinnahme der Mietminderung
Leitsatz (amtlich)
Der Mietzahlungsanspruch ist verwirkt, wenn der Vermieter erst zweieinhalb Jahre nach der letzten Vereinbarung über die Minderung wegen Mängeln der Mietsache den aufgelaufenen Rückstand verlangt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Oktober 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 226 C 43/03 - abgeändert:
Die Klage wird in Höhe eines Teilbetrages von 5.005,45 Euro nebst anteiligen Zinsen abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 79/100 und die Beklagten 21/100 zu tragen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben der Kläger 18/25 und die Beklagten 7/25 zu tragen
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung der in § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Angaben wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§ 511 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 a Abs. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 516, 518, 519 ZPO) Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung hat in der Sache zum Teil Erfolg. Der vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch - nach Einräumung einer Minderung von 10% bzw. 30% durch den Kläger - auf Miete für November 2000 bis Dezember 2001 und Nutzungsentschädigung für Januar 2002 besteht dem Grunde nach, jedoch über den zugebilligten Umfang hinaus.
Für Januar 2002 hat der Kläger nach Gewährung einer 30 %igen Minderung ursprünglich eine Restmiete von 1.749,57 DM bzw. 894,54 Euro geltend gemacht. In diesem Betrag enthalten war der mit 300,00 DM bzw. 153,39 Euro vereinbarte Vorschuss für Heizkosten, der nach Ablauf der Abrechnungsfrist nicht mehr verlangt werden kann, weshalb die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Für die übrigen Monate wirkt sich der mietvertraglich vereinbarte Heizkostenvorschuss jedoch nicht aus. Der Kläger macht lediglich eine restliche Bruttokaltmiete geltend, weshalb auch das von den Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht bezüglich des Heizkostenvorschusses ins Leere geht.
Entgegen der Ansicht des Klägers waren die Beklagten berechtigt, die (Bruttokalt-)Miete über das vom Kläger zugestandene Maß hinaus zu mindern. Für die Zeit bis einschließlich Juli 2001 konnten die Beklagten die Miete um 50% mindern. Soweit der Kläger für November 2000 bis September 2001 nur eine Minderung von 10 % und ab Oktober 2001 von 30% einräumt, ist die Geltendmachung der Miete treuwidrig. Der BGH hat in einem vergleichbaren Fall, in dem der Vermieter sich mit einer Minderung dem Grunde nach einverstanden erklärt hat, Mangelbeseitigung zugesagt aber nicht eingehalten hat und für einen längeren Zeitraum die Minderzahlungen des Mieters hingenommen hat (BGH, ZMR 2003, 341-343 = NZM 2003, 355-356 = NJW-RR 2003, 727-728), die Verwirkung des Anspruches auf Mietzahlung nach den allgemeinen Regeln des § 242 BGB angenommen. Der BGH hat hierzu ausgeführt:
"... Zu Recht macht die Revision aber geltend, auch der Mieter müsse sich darauf verlassen können, daß der Vermieter, der eine Minderung über einen längeren Zeitraum rügelos hinnehme, die vertraglich vereinbarte Miete nicht rückwirkend verlangen werde. Ob insoweit die - gleichsam spiegelbildliche - entsprechende Anwendung des § 539 BGB a.F. in Betracht kommt (bejahend OLG Hamburg ZMR 99, 328; a.A. Wiechert ZMR 2000, 65, 68; Palandt/Weidenkaff BGB 60. Aufl. § 539 Rdn. 5) kann dahinstehen, da § 539 BGB ein Unterfall der Verwirkung ist und jedenfalls die allgemeinen Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind.
Die Revision rügt zutreffend, daß die Gründe, mit denen das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Verwirkung abgelehnt hat, seine Entscheidung nicht tragen. Das Oberlandesgericht hat die Verwirkung unter Hinweis auf ein Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82 - NJW 1984, 1684) verneint, weil es dem Vermieter nicht ohne weiteres zum Nachteil gereichen dürfe, wenn er mit der Geltendmachung seiner Ansprüche aus Bequemlichkeit oder Sorglosigkeit zuwarte. Damit hat es ein Argument dieser Entscheidung in unzulässiger Weise verallgemeinert. Das Berufungsgericht hat zwar insoweit recht, als zur Annahme der Verwirkung allein der Ablauf eines längeren Zeitraums im allgemeinen nicht genügt (vgl. auch BGH aaO). Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht nämlich in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, daß eine Forderung verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, daß keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat. Über den bloßen Zeitablauf hinaus müssen somit b...