Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuerhaftung für pflichtwidriges Unterlassen einer Wohnungskündigung und Pfändbarkeit des Schadenersatzanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Tritt der Betreute aufgrund Erbfalles in einen Mietvertrag ein, dessen Erfüllung seine finanziellen Möglichkeiten übersteigt, so ist der Betreuer verpflichtet, das Mietverhältnis zu kündigen. Ein Widerspruch des Betreuten ist in einem solchen Fall unbeachtlich.
2. Entsteht dem Betreuten wegen der nicht rechtzeitigen Kündigung ein Vermögensschaden (hier in Form von Mietzinsverpflichtungen), so haftet der Betreuer auf Schadensersatz. Die Haftung entfällt dabei für den Zeitraum, der für die Einholung einer vormundschaftlichen Genehmigung zum Ausspruch der Kündigung vermutlich erforderlich gewesen wäre.
3. Der Schadensersatzanspruch des Betreuten gegen den Betreuer unterliegt der Pfändung und Überweisung.
Nachgehend
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.366,70 DM nebst 4% Zinsen aus jeweils 250,38 DM seit dem 5. Juli 1995, 4. August 1995, 5. September 1995, 6. Oktober 1995, 4. November 1995, 5. Dezember 1995, 5. Januar 1996, 6. Februar 1996, 5. März 1996, 4. April 1996, 7. Mai 1996 und 5. Juni 1996 sowie aus 66,88 DM seit dem 4. Juli 1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 64% der Klägerin und zu 36% dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 DM.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.100,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Wohnungsunternehmen. Der Beklagte ist Berufsbetreuer mit Fachhochschulabschluß Sozialarbeiter/Sozialpädagoge.
Mit Nutzungsvertrag vom 22. Februar 1978 überließ die Klägerin den Eheleuten ... eine Wohnung im Hause ... in Berlin-... zur Nutzung als Wohnung. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem ... und dem ... März 19 ... verstarb ... die das Mietverhältnis nach dem Tod ihres Mannes allein fortgesetzt hatte. ... wurde von ihrem Sohn ... allein beerbt, der Mieter einer Wohnung in der ... in Berlin-... war.
Seit August 1994 erhielt die Klägerin für die Wohnung in der ... keine Mietzahlungen mehr.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Mitte vom 5. September 1994 in dem Betreuungsverfahren zur Geschäftsnummer ... wurde der Beklagte zum Betreuer für ... bestellt, und zwar mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge einschließlich Rentenangelegenheiten, Vertretung des Betreuten bei der Beantragung eines Erbscheins seiner verstorbenen Mutter und bei der Regelung des Nachlasses. Mit Übernahme der Betreuung erfuhr der Beklagte, daß die Mutter von Herrn ... verstorben war.
Am 13. Januar 1995 erfuhr der Beklagte von einer Mitarbeiterin der Klägerin, daß sich Herr ... nicht um die Wohnung seiner verstorbenen Mutter kümmerte.
Mit Schreiben vom 16. Januar 1995 (Anlage K 9) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß sich die Mietrückstände für die Wohnung in der ... per Januar 1995 auf 2.138,35 DM beliefen, und forderte den Beklagten auf, sich mit ihr wegen einer Kündigung der Wohnung in Verbindung zu setzen. Der Beklagte setzte sich hierauf mit Herr ... in Verbindung, der dem Beklagten mitteilte, er - Herr ... habe die Absicht, die Wohnung in der ... zu behalten; Herr ... widersprach ausdrücklich, daß der Beklagte Maßnahmen zur Beendigung des Mietverhältnisses ergreifen möge.
In Gesprächen am 19. Mai 1995 und am 12. Juni 1995 wies der Beklagte Herrn ... darauf hin, daß er - Herr ... - nunmehr verpflichtet sei, die Wohnung seiner verstorbenen Mutter aufzugeben. Herr ... widersprach diesem Ansinnen.
In Gesprächen am 21. Juni 1995 und 15. August 1995 wandte sich der Beklagte erneut an Herrn ... mit dem Ziel, die Wohnungsangelegenheit ohne Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung zu regeln, wiederum ohne Erfolg.
Mit Schreiben vom 15. August 1995 (Anlage K 10) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis für die Wohnung in der ... außerordentlich gemäß § 569 BGB zum 30. September 1995.
Mit Bericht vom 5. September 1995 (Ablichtung Bl. 56 f. d. A.) teilte der Beklagte dem Vormundschaftsgericht mit, daß Herr ... nicht zugänglich sei und somit ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden müsse. Danach bemühte sich der Beklagte weiterhin, daß Herr ... die Wohnung in der ... übergibt und sich mit der Beendigung des Mietverhältnisses einverstanden erklärt.
Am 15. September 1995 forderte der Beklagte Herrn ... auf, nunmehr endlich die Schlüssel zu übergeben. Dies geschah nicht. Auch anläßlich eines weiteren Gesprächs mit dem Beklagten am 3. Mai 1996 verweigerte Herr ... die Herausgabe der Schlüssel.
Mit Schreiben vom 29. April 1996 (Anlage K 11) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis für die Wohnung ... fristlos wegen Zahlungsverzugs.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Mitte vom ...