Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung eines berufungsfähigen Urteils wegen fehlenden Tatbestandes in amtsgerichtlichem Urteil. Erhöhungsbetrag eines Mieterhöhungsverlangens als Streitgegenstand
Orientierungssatz
1. Ein berufungsfähiges Urteil des Amtsgerichts, das keinen Tatbestand enthält, ist durch das Berufungsgericht aufzuheben und der Rechtsstreit ist an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, wenn sich auch aus dem Tenor oder den Entscheidungsgründen der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft nicht bestimmen läßt.
2. Bei einem Verfahren wegen eines Mieterhöhungsverlangens ist Streitgegenstand der Erhöhungsbetrag, nicht aber der Endbetrag der neuen Miete. Das erfordert Angaben zu diesem im Urteil, um den Streitgegenstand bestimmen zu können.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Rechtsstreit - unter Aufhebung des am 3. August 2004 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schöneberg - 11 C 603/03 - einschließlich des Verfahrens an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Amtsgericht hat die beklagten Mieter verurteilt, einer Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von ihnen innegehaltenen Wohnung auf 483,22 EUR ab dem 1. August 2003 zuzustimmen. Von der Darstellung eines Tatbestandes wurde gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen. Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 511ff. ZPO zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Angabe lediglich der Hausverwaltung der Klägerin statt der Klägerin selbst im Passivrubrum der Berufungsschrift ist vorliegend unschädlich. Denn die Bestimmbarkeit des Rechtsmittelbeklagten, die sich auch aus dem Zusammenhang der Nennung des Rechtsmittelklägers und der Bezeichnung des angefochtenen Urteils ergeben kann, kann zur Wahrung der Erfordernisse des § 519 ZPO ausreichen (vgl. BGH VersR 1992, 761; NJW 1991, 2081; NJW 1974, 1658; VersR 1986, 574; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 519, Rn. 31). Der Zulässigkeit einer Berufung steht nicht entgegen, dass die Rechtsmittelschrift unzutreffende Angaben - hier die Bezeichnung des Rechtsmittelbeklagten - enthält, solange das angefochtene Urteil der Rechtsmittelschrift beigefügt ist und das Rechtsmittelgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist etwaige Zweifel über die Parteibezeichnung beheben kann. In diesem Fall ist es unschädlich, dass sich aus der dem Rechtsmittelbeklagten-Vertreter zugestellten Rechtsmittelschrift mangels Beifügung der angefochtenen Entscheidung für diesen keine Eindeutigkeit hinsichtlich des Rechtsmittels ergibt (vgl. BGH NJW 1974, 1658). Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend gegeben. Aufgrund der der Berufungsschrift im Original beigefügten Urteilsausfertigung und der Bezugnahme auf das zutreffende Aktenzeichen der angefochtenen Entscheidung in der Berufungsschrift war die wahre Rechtsmittelbeklagte für das Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar und die Falschbezeichnung hinsichtlich der gewollten Parteibezeichnung im Wege der Auslegung bestimmbar.
Hinsichtlich des Erreichens des gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Werts des Beschwerdegegenstandes von 600,00 EUR sind vorliegend im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Berufung die Angaben der Beklagten in der Berufungsbegründung, nämlich dass zu einer Erhöhung der Miete um 27,75 EUR monatlich verurteilt wurde, zugrundezulegen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist im Rahmen der ZPO nach den §§ 3-9 ZPO zu bestimmen (§ 2 ZPO). Für Klagen auf künftig wiederkehrende Leistungen gilt § 9 ZPO; darunter fallen auch Klagen auf Erhöhung oder Herabsetzung von Mieten und Nebenkostenpauschalen. Das dem Richter nach § 3 ZPO grundsätzlich zustehende Ermessen bei der Wertfestsetzung ist insoweit durch die Sonderregelung des § 9 ZPO eingeschränkt (vgl. BGH AnwBl 2003, 597 m.w.N.). Die generelle Bemessung der Beschwer lediglich nach dem 3 œ-fachen Jahresbetrag des streitigen Betrages stellt eine auch für Wohnraummietverhältnisse angemessene Grundlage für die Rechtsmittelfähigkeit amtsgerichtlicher Entscheidungen dar. Danach übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes nach den Angaben der Beklagten vorliegend mit 42 x 27,75 EUR = 1.165,50 EUR die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil das Urteil keinen Tatbestand enthält und sich auch aus dem Tenor oder den Entscheidungsgründen der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft nicht bestimmen lässt (vgl. zum Berufungsurteil BGH GE 2003, 1422, GE 2003, 665, NJW-RR 2003, 1006, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand 15). Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler gemäß §§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 547 Nr. 6 ZPO. Sollten die Ausführungen der Berufung zum Streitgegenstand zutreffen, wäre...