Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 20.11.2002; Aktenzeichen 207 C 185/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. November 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 207 C 185/02 – wie folgt geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten oder zu eröffnen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf Eröffnung bzw. Einrichtung eines Girokontos auf Guthabenbasis. Wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, unterliegt die Beklagte aufgrund ihrer im Jahr 1994 gegenüber der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen abgegebenen Selbstverpflichtung vorliegend einem unmittelbaren Kontrahierungszwang. Dieser begründet einen unmittelbaren Anspruch des Klägers. Die Selbstverpflichtung der Beklagten begründet nicht allein eine Verpflichtung gegenüber der Senatsverwaltung, sondern räumt darüber hinaus auch dem Kläger ein unmittelbares Recht ein. Dies ergibt sich aus Inhalt und Zweck der Selbstverpflichtung. Diese sollte nicht allein dem Zweck dienen, sicherzustellen, dass staatliche Leistungen an deren Empfänger überwiesen werden können, wie sich bereits daraus ergibt, dass sich die Selbstverpflichtung nicht allein auf Empfänger solcher Leistungen bezieht. Vielmehr besteht der Zweck der Selbstverpflichtung allgemeiner darin, Menschen mit schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Führung eines Girokontos auf Guthabenbasis zu ermöglichen, das im Rahmen moderner Daseinsvorsorge nahezu unentbehrlich ist (sogenanntes „Girokonto für Jedermann”). Die Form der Selbstverpflichtung tritt dabei an die Stelle einer gesetzlichen Regelung (vgl. auch Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 9. Juni 2000, BT-Drs. 14/3611). Die Durchsetzbarkeit dieses Zwecks der Selbstverpflichtung gebietet es, einen unmittelbar durch den Bankkunden einklagbaren Anspruch einzuräumen.
Der Kontrahierungszwang entfällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch, dass die Beklagte dem Kläger im November 1999 bereits einmal ein Girokonto eingerichtet hatte, das im April 2000 aufgelöst wurde. Der Selbstverpflichtung ist nämlich keine Erklärung des Inhalts zu entnehmen, das sie durch einmalige Eröffnung eines Girokontos erfüllt ist, so dass auch nach Auflösung des Kontos keine weiteren Rechte bestehen. Hinzu kommt vorliegend, dass die Beklagte mit Schreiben vom 6.April 1999 die Schließung des früheren Girokontos im Falle eines erneuten Verstoßes angedroht hatte; zu einem solchen erneuten Verstoß kam es indessen nicht. Die Eröffnung des begehrten Kontos ist der Beklagten unter Würdigung aller Umstände nicht unzumutbar.
1. Zum einen folgt eine solche Unzumutbarkeit nicht allein daraus, dass der Kläger das frühere Konto über etwa drei Monate nur im Soll geführt hatte und zunächst nicht für einen Ausgleich gesorgt hat, insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil (dort S. 6 unten/7 oben, Bl. 66/67 d. A.) Bezug genommen.
2. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich aber entgegen der in dem angegriffenen Urteil vertretenen Auffassung auch nicht aus einer wertenden Gesamtschau des vorprozessualen und prozessualen Verhaltens des Klägers. Dabei gilt Folgendes: Entgegen der klägerischen Auffassung kommt es für die Frage, ob das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien in einem Maße gestört ist, das der Beklagten die Aufnahme vertraglicher Beziehungen unzumutbar machen würde, nicht allein auf die wirtschaftliche Verlässlichkeit des Klägers an. Vielmehr kann die Unzumutbarkeit auch aus dem persönlichen Verhalten des Kunden im Umgang mit der beklagten Bank folgen, soweit dieses die Grenzen sachlicher Kritik in einem Maße verletzt, die eine Aufnahme von Vertragsbeziehungen unter Abwägung der gegenseitigen Interessen unzumutbar machen würde (vgl. zur Kündigung eines Girovertrags wegen unflätigen Kundenverhaltens: OLG Köln, NJW-RR 1992, 1522).
Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass ein die Versagung des klägerischen Anspruchs rechtfertigendes Fehlverhalten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Beklagte sich im Hinblick auf ihre öffentlichrechtliche Bindung härterer Kritik in der Sache stellen muss, als dies bei einem privaten Kreditinstitut der Fall ist (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 1523).
Soweit der Kläger im Jahr 1999 – wie von dem Amtsgericht im Ergebnis als unstreitig behandelt – die Filialleiterin der Beklagten als „blöde Kuh” beschimpft und der Beklagten vorgeworfen haben sollte, Kunden „wie Penner” zu behandeln, verkennt die Kammer nicht, das es sich dabei um ein Verhalten handelt, das geeignet ist, das Vertrauensverhältn...