Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts: Räumungsrechtsstreit um eine Atelierwohnung

 

Orientierungssatz

Ein Mietvertrag über die Nutzung einer Fabriketage als Atelier und Wohnraum durch einen freischaffenden Künstler unterfällt im Falle des Überwiegens der Wohnnutzung insgesamt dem Wohnraummietrecht. Für eine auf Räumung des Mietobjekts gerichtete Klage ist dann das Amtsgericht gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG ausschließlich sachlich zuständig.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung 1.300,00 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage Räumung von vom Beklagten angemieteter Räume nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit des Wohnraummietrechts.

Mit Mietvertrag vom 7. August 1967 mietete der Beklagte als freischaffender Künstler von dem damaligen Eigentümer die 4. Etage des Fabrikgebäudes in Berlin. Als weitere Mieterin wurde die damalige Ehefrau des Beklagten mit in den Mietvertrag aufgenommen, da der Beklagte nicht sicher stellen konnte, dass er allein mit seiner Tätigkeit als freier bildender Künstler den Mietzins werde stets aufbringen können und der damalige Vermieter daher als Sicherheit einen zweiten Schuldner wünschte.

Der Mietvertrag, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird, Anlage K 2 der Klageschrift, Bl. 8 ff. d.A., ist überschrieben mit "Mietvertrag für Gewerbliche Räume". Als Nutzungszweck weist er den Betrieb eines graphischen Gewerbes aus.

Gemäß § 2 des Mietvertrages war das Mietverhältnis fest bis zum 30. September 1970 abgeschlossen und sollte sich um jeweils ein Jahr verlängern, wenn eine der Parteien nicht spätestens sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht.

In dem ersten Mietjahr baute der Beklagte die 224 qm große Fläche zu einer Wohnung mit Atelier um. Bereits bei Vertragsschluss hatte der Beklagte die Absicht bekundet, die Etage als Wohnatelier zu nutzen. Er zog zur Raumaufteilung Wände in Leichtbauweise ein, installierte einen Nassraum mit Badewanne und Waschtisch, baute einen selbst erstellten Raum zur Küche aus und richtete zunächst einen, später zwei Räume als Schlafraum ein. Für die Wasser- und Stromversorgung schuf er die notwendigen Leitungen. Die Umbauten erfolgten mit Zustimmung des damaligen Vermieters.

Seit 1973 ist der Beklagte polizeilich mit seinem Hauptwohnsitz in den streitgegenständlichen Räumen gemeldet.

Durch Zuschlagbeschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 26. Oktober 2000 ging das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück auf den stellvertretenden Vorsitzender des Klägers über, der es sodann an den Kläger übertrug. Am 28. November 2001 wurde der Kläger als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 8. März 2001 sprach der Kläger eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. September 2001 aus.

Eine Räumung durch den Beklagten erfolgte nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, eine Umwidmung der Räume zu einer Wohnraumnutzung sei nicht gegeben. Eine langjährige Wohnnutzung durch den Beklagten und dessen Familie bestreitet er mit Nichtwissen. Ebenfalls mit Nichtwissen bestreitet der Kläger, dass der ehemalige Eigentümer von der Wohnnutzung gewusst und diese toleriert habe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die in der ….straße … in …. Berlin gelegenen Gewerberäume im Fabrikgebäude in der 4. Etage in einer Größe von 224 qm zu räumen und an ihn herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, etwa ab Herbst 1986 in den streitgegenständlichen Räumen mit seiner jeweiligen Lebenspartnerin und zeitweise mit seinen Kindern zu wohnen. Der Umfang der Wohnnutzung liege im Verhältnis zur Ateliernutzung seit 1977 bei etwa 80 % zu 20 %. Sowohl der vormalige Eigentümer, der in dem Fabrikgebäude einen Familienbetrieb zur Herstellung chirurgischer Instrumente betrieb, als auch dessen Sohn, als späterer Vertreter der Erbengemeinschaft, hätten sich häufiger in den streitgegenständlichen Räumen aufgehalten und von der Wohnnutzung Kenntnis gehabt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

Das angerufene Landgericht ist sachlich unzuständig. Gemäß § 23 Nr. 2 a) GVG ist das Amtsgericht ausschließlich sachlich zuständig, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit über den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum handelt.

Das streitgegenständliche Mietverhältnis stellt sich als so genanntes Mischmietverhältnis dar, dessen Nutzungsschwerpunkt auf der Wohnraumnutzung liegt. Es ist daher rechtlich als Wohnraummietverhältnis zu behandeln.

Ob diese Nutzung trotz des anderslautenden...

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