Nachgehend

OLG Köln (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 7 U 48/09)

 

Tenor

  • 1.

    Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2008 zu zahlen.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom beklagten Land eine Ausgleichzahlung aufgrund menschenunwürdiger Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) während des Strafvollzuges.

Der Kläger befand sich unter anderem vom …2003 bis zum …2007 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt T. Vom …2004 bis zum …2004, d.h. für 6 Tage, und vom …2004 bis zum …2004, d.h. für 38 Tage, wurde er jeweils in Einzelzellen untergebracht, da in dieser Zeit eine Grundsanierung einzelner Gebäudeteile der JVA stattfand, die eine Neuverteilung der Haftplätze erforderte. Die Einzelzellen, in denen der Kläger untergebracht war, teilte er sich mit einem Mitgefangenen. Die Zellen hatten eine Grundfläche von 7,6 m² und waren mit einem Doppelbett, einer Heizung, einem Kleiderschrank, einem Tisch, 2 Stühlen, einem Waschbecken und einer Toilette ohne gesonderte Belüftung, die lediglich durch eine Schamwand vom übrigen Raum abgetrennt war, ausgestattet.

Der Kläger sieht in der erfolgten Unterbringung eine amtspflichtwidrige Verletzung seiner Menschenwürde und seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Durch die Art der Unterbringung sei ihm jeglicher Rückzugsraum genommen worden, in welchem er sein Gefühls- und Intimleben ungestört ausleben könnte. Insbesondere durch die geringe Größe des Raumes zusammen mit der baulich nicht abgetrennten Toilette liege eine Verletzung der Menschenwürde vor.

Die Möglichkeit einer jederzeitigen Teilnahme an Freizeit- und Sportgruppen habe für den Kläger faktisch aufgrund der angespannten Belegungs- und Personalsituation nicht bestanden. Vielmehr habe es lange Wartelisten für die Teilnahme daran gegeben. Darüber hinaus sei er unverschuldet ohne Arbeit gewesen.

Der Kläger behauptet, während der Zeit dieser Unterbringung mehrfach den Versuch unternommen zu haben, Anträge auf eine Einzelunterbringung zu stellen, zudem habe er sich auch über die Doppelbelegung beschwert. Dementsprechend habe er mehrfach Anträge bei den Stationsbeamten, wie z.B. Herrn Tt und Herrn B, zur Weiterleitung an den Bereichsleiter JVAI a.D. J eingereicht. Bei dem daraufhin stattfindenden Termin bei diesem oder bei dessen Erscheinen in der Zelle des Klägers habe dieser den Kläger jeweils gefragt, ob er - der Kläger - denn keine Arbeit haben bzw. seine Aussicht auf Arbeit verschlechtern wolle und ob er - Herr J - den Antrag nicht lieber zerreißen solle, was er sodann auch getan habe.

Er ist der Ansicht, dass das Ergreifen weiterer Rechtsbehelfe aufgrund der Überbelegung der JVA für ihn keine Abhilfe geschaffen hätte. Zudem ist er der Ansicht, dass die Unterbringungsverhältnisse evident menschenunwürdig waren, weshalb das beklagte Land auch ohne eine Aufforderung durch einen dem Begehren des Klägers stattgebenden Rechtsbehelf hätte tätig werden müssen.

Als Entschädigung verlangt er pro Hafttag einen Betrag in Höhe von 25,00 € bei einer Unterbringungsdauer von 44 Tagen.

Der Kläger beantragt in der am 12.06.2008 zugestellten Klage,

  • das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, dass die Zeiträume, in denen der Kläger in der angegriffenen Weise untergebracht gewesen sei, getrennt zu betrachten seien. Der Zeitraum vom …2004 bis zum …2004 von 6 Tagen überschreite schon nicht die Erheblichkeitsschwelle und müsse daher unberücksichtigt bleiben.

Darüber hinaus behauptet das beklagte Land, dass den Gefangenen und damit auch dem Kläger eine Fülle von Möglichkeiten zur Verfügung gestanden habe, sich außerhalb des Haftraumes aufzuhalten.

Es habe eine tägliche Freistunde gegeben, sowie einen sogenannten Umschluss mit anderen Mitgefangenen und im Gemeinschaftsraum, woran der Kläger auch teilgenommen habe. Zudem habe sich der Kläger in verschiedenen Freizeitgruppen engagieren können. Die Unterbringung sei nicht rechtswidrig oder menschenunwürdig gewesen sei.

Zudem meint das beklagte Land, dass einem Anspruch des Klägers die Regelung des § 839 Abs. 3 BGB entgegenstehe. Dazu behauptet es, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt weder schriftlich noch mündlich um eine Verlegung in einen Einzelhaftraum gebeten habe. Auch eine gerichtliche Entscheidung habe der Kläger nicht beantragt. Einer solchen stattgebenden Entscheidung hätte das beklagte Land trotz ...

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