Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe einer Wohnung wegen Beendigung des Mietverhältnisses. b) zwischenzeitlicher Räumung und Herausgabe einer Wohnung wegen Grundstücksreparatur

 

Verfahrensgang

AG Wolfenbüttel (Urteil vom 17.07.1964; Aktenzeichen 8 C 125/64)

 

Tenor

1) Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 17. Juli 1964 geändert.

2) Der Beklagte wird verurteilt, seine Wohnung in … bestehend aus 1 Zimmer, 2 Kammern und 1 Küche – jedoch nicht die Stallung –, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben, jedoch nur nach Maßgabe der folgenden Ziffern 3 bis 6.

3) Die Klägerin hat den Tag der Räumung und Herausgabe dem Beklagten mindestens 5 volle Tage vor diesem Termin schriftlich anzuzeigen.

Die Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs hängt von dem Nachweis ab, dass diese schriftliche Anzeige dem Beklagten gegen Zustellungsurkunde rechtzeitig zugestellt ist.

Die Klägerin hat als weitere Voraussetzung für die Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs dieser schriftlichen Anzeige eine öffentlich beglaubigte Bescheinigung der Firma … in … beizufügen, dass diese Firma zu dem angezeigten Termin die Arbeiten beginnen wird.

4) Frühester Tag für die Vollstreckung ist der 1. Dezember 1964.

5) Die Klägerin kann die Räumung und Herausgabe nur für einen Zeitraum bis eine Woche nach Beendigung der Wiederherstellungs arbeiten, längstens jedoch auf die Dauer von 5 Monaten, gerechnet ab Räumungstag, verlangen.

6) Die Vollstreckbarkeit dieses Urteils erlischt, wenn die Klägerin nicht bis spätestens 30. April 1965 die Vollstreckung betrieben hat.

7) Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Mieter einer Erdgeschosswohnung von 38 qm im Grundstück der Klägerin auf Grund Mietvertrages vom 12. Juli 1960. Er wohnt schon 59 Jahre in dem Grundstück, welches früher seinen Eltern gehört hat. Er ist in diesem Hause geboren und hat auch nach seiner Heirat mit seiner Familie Jahrzehnte lang im Hause zur Miete gewohnt. Die Eltern hatten das Haus im Jahre 1939 veräussert. Schliesslich ist es im April 1960 in das Eigentum der Klägerin gelangt. Der Beklagte bewohnt die Wohnung mit seiner Frau und seinem Enkelkind … und einer 3-köpfigen Familie eines Sohnes; ein anderer Sohn mit 3-köpfiger Familie hat inzwischen anderweit Wohnung bei seinen Schwiegereltern gefunden.

Es handelt sich um eines der ältesten Häuser in der Altstadt von Wolfenbüttel. Ein in unmittelbarer Nachbarschaft liegendes anderes Haus ist vor einigen Jahren in sich selbst zusammengestürzt. Das Haus, in welchem des Beklagte eine Erdgeschosswohnung bewohnt, ist ein älteres Fachwerkgebäude, welches teilweise massiv unterfangen ist. In Richtung zum Garten hin weist das Grundstück einen Kriechkeller aus. Die Keller decke besteht aus einer Holzbalkenlage mit Bretterbelag. Über die Baufälligkeit und die Einsturzgefahr des Hauses herrscht zwischen den Parteien Streit. Unstreitig ist, dass die Häuser, auch im Abriss- und Sanierungsprogramm der …, zu noch unbestimmt späterer Zeit einmal abgerissen werden sollen.

Die Klägerin hat dem Beklagten die Wohnung wegen Baufälligkeit und Schwammverdachtes mit Schreiben vom 26. November 1963 fristlos gekündigt. Sie behauptet, das Haus sei baufällig, sie wolle und müsse es dringend wiederherstellen, um Schäden zu vermeiden. Sie hat daher beantragt,

  1. den Beklagten zur sofortigen vorübergehenden Räumung zwecks Durchführung der Reparaturarbeiten und
  2. zur endgültigen Räumung zum 3. November 1964 zu verurteilen und den Widerspruch des Beklagten auf Verlängerung des Mietverhältnisses zurückzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, das Mietverhältnis über den 30. November 1964 hinaus zu verlängern, hilfsweise ihm eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen.

Er bestreitet, dass das Haus so baufällig sei, dass er vor Ablauf der gesetzlichen Räumungsfrist kurzfristig weichen müsste. Er behauptet, das alte Fachwerkhaus sei so beschaffen, dass noch Jahre lang die Mieter dort wohnen bleiben könnten. Zwar sei er jederzeit bereit, seine jetzige Wohnung zur Durchführung der angeblich dringend notwendigen Reparatur arbeiten vorübergehend zu räumen, jedoch nur unter der Bedingung, dass ihm die Klägerin eine andere Wohnung zur Verfügung stelle und die entstehenden Umzugskosten übernehme, die er bei einem Stundenlohn von 1,60 DM nicht tragen könne. Des Beklagte bestreitet, dass die Klägerin die mit der Reparatur verbundenen grossen Kosten tragen könne und tragen wolle. Seinen Widerspruch gegen die Kündigung begründet er mit seinem persönlichen Verhältnissen, der Tatsache, dass er im Hause aufgewachsen sei, und insbesondere damit, dass es höchst unbillig wäre, wenn er vorzeitig ausziehen müsste, die … indes in absehbarer Zukunft die Häuser ohnehin abreissen würde und den weichenden Mietern, zu denen er dann nicht mehr gehören würde, andere Ersatzwohnungen zur Verfügung stellt.

Das Amtsgericht hat die Auskunft des … – Baugenehmigung...

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