Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigtes Interesse des Vermieters an einer Wohnraumkündigung bei Betriebsbedarf
Orientierungssatz
Die Vorschrift des BGB § 564b Abs 2 zählt die Fälle berechtigten Interesses des Vermieters an einer Kündigung des Mietverhältnisses nicht abschließend auf. Als weiterer Fall kann ein Betriebsbedarf in Betracht 'kommen, wenn der Vermieter die Wohnung seinem Arbeitnehmer zur Verfügung ' stellen will, ohne daß es sich um eine Werkswohnung im Sinne des BGB § 565b handelt (So auch LG Hannover, 1973-11-07, 16 S 31/73, NJW 1974, 1094).
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 11. März 1986 - 2 C 2142/85 - teilweise abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 1. Stock des Gebäudes ... in ..., bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche (im nordwestlichen Teil des Gebäudes) sowie die unter diesen Räumen im Erdgeschoss gelegene Remise zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 270,- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 5. Mai 1984 zu bezahlen.
II. Die Kosten beider Instanzen trägt der Beklagte.
III. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31. März 1987 bewilligt.
- Berufungsstreitwert: 2.280,- DM -
Gründe
1. Die zulässige Berufung ist begründet. Wegen des Sachverhalts wird gemäss § 543 Absatz 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von weiteren 120,00 DM gegen den Beklagten, weil dieser unberechtigt im Hinblick auf die Vorenthaltung einer Remise die Miete gemindert hat. Bei der Anhörung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 1986 hat sich ergeben, dass die Remise zunächst von einer anderen Familie benutzt worden ist. Nach deren Auszug hat der Beklagte die Remise mit Billigung des Voreigentümers ... in Benutzung genommen. In diesem Zusammenhang ist die Höhe der Wohnungsmiete nicht verändert worden und es ist auch nicht darüber gesprochen worden, dass der Mietvertrag bei gleichbleibendem Mietzins auf die Remise erweitert werden sollte. Bei dieser Sachlage kann die Überlassung der Remise nur als Leihe im Sinne der §§ 598 ff BGB bewertet werden. Demzufolge konnte die Klägerin die Leihe gemäss § 605 Nr. 1 BGB kündigen und die Remise selbst beanspruchen, ohne dass der Beklagte berechtigt war, die Miete zu mindern. Über die vom Amtsgericht zuerkannten 150,00 DM hinaus kann die Klägerin für die Monate Februar bis Mai 1984 jeweils 30,00 DM, insgesamt 120,00 DM nachfordern.
Das Urteil 2 C 442/84 des Amtsgerichts Reutlingen vom 29. Mai 1984 steht nicht entgegen, denn jenes Urteil stellt rechtskräftig nur die Herausgabepflicht des Vermieters zum damaligen Zeitpunkt fest. Dagegen sind die Entscheidungsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen.
3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vermieteten Wohnung, weil die Kündigung vom 23. Juli 1984 begründet war.
Ob die Kündigung, soweit sie auf erhebliche Verstösse gegen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag gestützt war, berechtigt gewesen ist, kann dahinstehen. Das Recht zur Kündigung ergab sich jedenfalls aus § 564 b Absatz 2 BGB. Nach allgemeiner Ansicht sind in Absatz 2 Nummern 1 - 3 des § 564 b BGB die Fälle des berechtigten Interesses nicht abschliessend aufgezählt und es kommen weitere Gründe in Betracht. Nach Auffassung der Kammer ist als weiterer Grund ein Betriebsbedarf anzuerkennen, wenn der Vermieter die Wohnung einem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen will, der einen konkreten Wohnbedarf hat, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um eine Werkswohnung im Sinne der §§ 565 b und 565 c BGB handelt (vgl. auch Palandt-Putzo, 45. Aufl., Anm. 5 e bb zu § 564 b; Münchner Kommentar-Voelskow, Anm. 71 zu § 564 b und Landgericht Hannover NJW 1974, 1094; anderer Ansicht für nicht zweckbestimmte Wohnungen Schmidt-Futterer-Blank, Wohnraumschutzgesetz, 4. Aufl., Rdnr. B 489 zu § 564 b mit Rechtsprechungsnachweisen).
Unstreitig will die Klägerin die Wohnung des Beklagten ihrem Arbeitnehmer ... zur Verfügung stellen. Der Zeuge ... bewohnt zur Zeit mit einer 6-köpfigen Familie im gleichen Haus eine 2-Zimmerwohnung mit 50 qm, zu der noch ein nicht ausgebauter Raum im Dachgeschoss gehört. Zwei der Kinder des Zeugen ... arbeiten bei der Klägerin. Die Kinder sind teilweise schon erwachsen, so dass zweifellos ein dringender Bedarf an zusätzlichem Wohnraum besteht. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Beklagten die Wohnung ursprünglich von dem damaligen Betriebsinhaber als Arbeitnehmerin bekommen hat und nicht mehr in dem Betrieb beschäftigt ist. Unstreitig ist der Beklagte im Laufe der Wechsel auf Vermieterseite als Mieter in das streitgegenständliche Mietverhältnis eingerückt. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Gebäude, in welchem sich die Wohnung befindet, erworben hat, um die Wohnungen Betriebsangehörigen zur Verfügung stellen zu können. Das Haus ist auch über das Betriebsgelände der Klägerin ...