Verfahrensgang
AG Darmstadt (Entscheidung vom 18.07.2007; Aktenzeichen 703 Js 51151/05) |
Tenor
Gründe
I.
Durch am selben Tage rechtskräftig gewordenes Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 4.5.2005 - Geschäftsnummer 29 Ds 1300 Js 71478/04 - wurde der Verurteilte M. des Betrugs in 20 Fällen schuldig gesprochen. Er wurde verwarnt, zugleich wurde die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,- Euro, gebildet aus 20 Einzelgeldstrafen von jeweils 10 Tagessätzen, vorbehalten. Durch Beschluss vom gleichen Tag wurde die Bewährungszeit auf zwei Jahre festgesetzt und dem Verurteilten aufgegeben, den angerichteten Schaden wieder gutzumachen und hierüber vierteljährlich zu berichten. Auf mehrfache Anfragen des Gerichts nach den Anstrengungen des Verurteilten zur Schadenswiedergutmachung reagierte der Verurteilte nicht. Am 12.9.2006 beantragte die Staatsanwaltschaft daher, den Verurteilten nunmehr zur vorbehaltenen Strafe zu verurteilen. Über diesen Antrag hat das Amtsgericht bisher nicht entschieden.
Mit sofort rechtskräftig gewordenem Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 13.11.2006 wurde der Verurteilte M. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 40,- Euro verurteilt, gebildet aus vier Einzelgeldstrafen von 20, 65, 60 und 240 Tagessätzen. Die Tatzeitpunkte aller abgeurteilten Steuerdelikte lagen vor dem Erlass des Urteils des Amtsgerichts Offenbach vom 4.5.2005. Das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 4.5.2005 wurde bei der Bildung der Gesamtstrafe im Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 13.11.2006 nicht berücksichtigt, da das Urteil vom 4.5.2005 in dem zuletzt am 23.11.2005 eingeholten Bundeszentralregisterauszug noch nicht verzeichnet war.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Darmstadt den Antrag der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom 16.2.2007, aus den beiden vorgenannten Verurteilungen eine Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu je 40,- Euro zu bilden, abgelehnt. Es vertritt unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Dieburg vom 24.6.1996 (NStZ 1996, 613) die Auffassung, im vorliegenden Fall sei eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht möglich.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Die hier zu entscheidende Frage, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Beschlusswege gem. § 460 StPO auch unter Einbeziehung einer in einem gem. § 59 StGB auf Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennenden Urteil lediglich vorbehaltenen Geldstrafe erfolgen kann, ist in Literatur und Rechtsprechung stark umstritten.
Diese Frage wird von einem Teil der Rechtsprechung ( Amtsgericht Dieburg, NStZ 1996, 613) und in der Kommentarliteratur (ausführlich Tröndle/Fischer, 54. Aufl. 2007, § 59c StGB Rn. 2; SK-Paeffgen § 460 StPO Rn. 4; Schönke/Schröder/Stree, 27. Aufl. 2006, § 59c StGB Rn. 5; Meyer-Goßner, 50. Aufl. 2007, § 460 StPO Rn. 9) verneint. Zur Begründung wird insbesondere auf den Wortlaut von § 59c Abs. 2 StGB abgestellt, der ausdrücklich anordnet, dass für den Fall der Gesamtstrafenbildung gem. § 55 StGB die nach § 59 StGB vorbehaltene Strafe einer erkannten Strafe gleichsteht. Diese Gleichstellung gelte aber nicht für die Fälle des § 460 StPO; eine Anwendung von § 59c Abs. 2 StGB auf diese Fälle verstoße - da es der Gesetzgeber versäumt habe, § 460 StPO an § 59c Abs. 2 StPO anzupassen - gegen das strafrechtliche Analogieverbot (AG Dieburg und Fischer/Tröndle, jeweils a.a.O.).
Demgegenüber vertritt ein anderer Teil der veröffentlichten Rechtsprechung ( LG Flensburg SchlHA 1997, 285 f.) und der Literatur (LK-Gribbohm, 11. Aufl. 2003, § 59c StGB Rn. 10; zweifelnd Lackner/Kühl, 24. Aufl. 2001, § 59c StGB Rn. 3; eingehend Deckenbrock/Dötsch, NStZ 2003, 346 f.) die Auffassung, der Wortlaut des § 460 StPO stehe dessen Anwendbarkeit auf Fälle wie den vorliegenden nicht entgegen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer Kammerentscheidung vom 27.5.2002 diese Auffassung von Verfassungs wegen nicht beanstandet ( BVerfG NStZ-RR 2002, 330).
Die Kammer schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
Das deutsche Strafrecht ist darum bemüht, in möglichst jedem Fall sicherzustellen, dass mehrere Taten desselben Täters nicht zu getrennten Bestrafungen, sondern zu einer einheitlichen Gesamtstrafe führen. Im Idealfall werden alle bis zu einer Hauptverhandlung begangenen Taten in demselben Verfahren abgeurteilt, in dem es gem. §§ 53, 54 StGB zur Verhängung einer Gesamtstrafe kommt. Ist dies nicht möglich, etwa weil in der Hauptverhandlung über eine Tat andere zuvor begangene Taten noch gar nicht entdeckt oder zumindest nicht angeklagt sind, soll in einer wegen dieser Taten später durchzuführenden Hauptverhandlung die Vorverurteilung in eine dann nach Maßgabe des § 55 StGB zu bildende Gesamtstrafe einbezogen werden. Ist diese Gesamtstrafenbildung in einer Hauptverhandlung jed...