Tenor

  • 1.

    Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird abgelehnt.

  • 2.

    Die Sicherstellung des Führerscheins des Angeschuldigten Nr. ... wird aufgehoben und der Führerschein an den Angeschuldigten herausgegeben.

  • 3.

    Die Verfahrenskosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Landeskasse.

 

Gründe

Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Dessau vom 25.05.2000, AZ: 752 Js 12298/00, wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, am 02.04.2000 gegen 14.30 Uhr in Wolfen vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen.

Dem liegt nach Anklage zugrunde, dass der Angeschuldigte am betreffenden Tage mit seinem Pkw Mitsubishi, amtl. Kennzeichen: BTF-... nach Wolfen in die Wittener Straße zu einem Bekannten gefahren sei und dort zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr nach Angaben des Angeschuldigten 2 Flaschen Kräuter a 0,2 l und 3-4 Büchsen Bier a 0,5 l getrunken habe.

Anschließend habe er die Heimfahrt mit dem Pkw angetreten, was ihm von vornherein klar gewesen sei. In Steinfurt, Straße "In den Pusseln" erfolgte durch Polizeibeamte eine Atemalkoholmessung bei dem Angeschuldigten zwischen 15.42 Uhr und 15.48 Uhr mit einem zugelassenen und gültig geeichten Atemalkoholmeßgerät "Dräger Alcotest 7110 Evidential, Typ 11 K III". Dabei wurde bei dem Angeschuldigten eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,94 mg/l Atemluft gemessen.

Wegen der Einzelheiten der Messung wird auf das Protokoll über die Atemalkoholmessung vom 2.4.2000 Bezug genommen.

Eine Blutentnahme zur Bestimmung der BAK wurde nicht angeordnet.

Der Führerschein des Angeschuldigten wurde mit dessen Einverständlich am Tatort sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten vor dem Landgericht wegen der Bedeutung der Sache, gem. § 74 Abs. 1, S. 2 GVG, weil zum Beweis der Fahruntüchtigkeit eine Messung der AAK zugrundegelegt wurde und in zukünftigen gleichgelagerten Fällen mit diesem Beweis sicher festgestellt werden soll, dass ab einem Grenzwert von 0,8 mg/l Alkohol in der Atemluft von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen ist.

Gegen die Wertung der Staatsanwaltschaft, der Fall weise eine besondere Bedeutung auf i.S.d. §§ 74 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG bestehen keine Bedenken, weil der Fall sich insoweit von der Masse der vergleichbaren durchschnittlichen Straftaten gem. § 316 StGB abhebt, als die Feststellung der rauschbedingten Fahruntüchtigkeit des Angeschuldigten durch Alkohol mittels Messung der AAK anstelle der Messung der BAK erfolgte.

Das Verfahren war jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht zu eröffnen, § 204 StPO. Die Beweise vermögen nach Auffassung der Kammer keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten bzgl. § 316 StGB zu begründen.

Für die Feststellung einer absoluten Fahruntüchtigkeit i.S.d. § 316 StGB können Atemalkoholwerte nach einteiliger Meinung jedenfalls nicht herangezogen werden (Tröndle, StGB, 49. Aufl., § 316, Rn 8 b). Für den Atemalkohol fehlt nämlich eine mit dem Blutalkohol vergleichbare sichere Korrelation zur alkoholbedingten Beeinträchtigung der Fahrunsicherheit.

Soweit ersichtlich liegen Untersuchungen, ob zwischen Atemalkohol und Alkoholauswirkungen auf die Fahruntüchtigkeit ein und ggf. welcher Zusammenhang besteht, bislang nicht vor (Hillmann. Atemalkoholmessung - Erwartungen und Erfahrungen, DAR 00, 289 (291)).

Daher vermag auch der bei dem Angeschuldigten gemessene Atemalkoholwert von 0,94 mg/l, an dessen Richtigkeit nach Auffassung der Kammer kein Zweifel besteht, allein keinen Rückschluss auf die Fahruntüchtigkeit des Angeschuldigten zu.

Nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis scheitert auch eine indirekte BAK-bestimmung durch Umrechnung des AAK-Wertes an der fehlenden Konvertierbarkeit zwischen venöser BAK und gasförmiger AAK (BayOLG, DAR 00, 316 (317)).

Zwar entspricht der Atemalkoholgehalt dem des Blutalkohols in weiten Bereichen, es gibt jedoch keinen konstanten Umrechnungsfaktor.

Auch der in § 24 a StVG durch den Gesetzgeber festgelegte Grenzwert unter Verwendung eines Umrechnungsquotienten von AAK in BAK von 2,0 zu 1 stellt einen bloßen Durchschnittswert dar, bei dem Abweichungen nach oben und unten möglich sind (Bay OLG a.a.O.), mit der Folge, dass einem bestimmten AAKwert eine gewisse Bandbreite von BAKwerten entsprechen kann.

Nach den Feststellungen von Wilske (Wilske, Die "beweissichere Atemalkoholprobe" - Wie beweissicher ist sie?, DAR 00, 16 (19)) beträgt die Schwankungsbreite der Umrechnungsquotienten in ausgesuchten wissenschaftlichen Untersuchungen 0,740 bis 3,290 zu 1.

Daher läge bei der Umrechnung der bei dem Angeschuldigten gemessenen AAK von 0,94 mg/l ein möglicher BAK-bereich von 0,695 bis 3,092 vor.

Desweiteren läßt sich auch ein Tatverdacht hinsichtlich einer relativen Fahruntüchtigkeit nicht in ausreichendem Maße begründen.

Es sind weder subjektive noch objektive Umstände außerhalb der Atemalkoholkonzentration bei dem Angeschuldig...

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