Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wirkung der gerichtlichen Entscheidung auch für und gegen die Anteilsinhaber, die keinen Antrag gestellt haben. Einleitung des Spruchverfahrens. Gerichtliche Zuständigkeit. Fristgerechte Weiterleitung an zuständiges Landgericht. Konzentrationsverordnung. Mangel an Verschulden. Richterliche Fürsorgepflicht
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem nach § 4 Abs. 1 S. 1 SpruchG verspäteten Antrag eines Aktionärs auf Erhöhung des Ausgleichs und der Abfindung anlässlich eines Gewinnabführungsvertrags kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn noch weitere zulässige Anträge auf Einleitung des Spruchverfahrens gestellt wurden und der Antragsteller mit einer Versäumung der Frist nicht zu rechnen brauchte, weil er den Antrag fristgerecht bei Gericht eingereicht hat, dessen Unzuständigkeit nur auf einer Länderverordnung und nicht auf Gesetz beruht, was für einen juristischen Laien nicht ohne weiteres zu durchschauen ist. Auch hat das Gericht eine Fürsorgepflicht, fristgebundene Schriftsätze an das zuständige Gericht weiterzuleiten und der Antragsteller darf darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht.
Normenkette
FGG § 22 Abs. 2; SpruchG § 4 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 13, 2 Abs. 4, 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Tenor
Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist außenstehender Aktionär der, welche ihren Sitz in hat. Diese schloss einen Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin, welcher am 08.04.2004 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Eintragung wurde am 05.05.2004 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Der Antrag des Antragstellers auf Erhöhung des Ausgleichs und der Abfindung ging am 05.07.2004 beim Landgericht Essen ein. Das Landgericht Essen teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22.07.2004 mit, dass das Landgericht Dortmund für das Verfahren nach § 1 Abs. 1 SpruchG ausschließlich zuständig sei und fragte, ob eine Abgabe an das Landgericht Dortmund beantragt wird. Der Antrag des Antragstellers auf Abgabe an das Landgericht Dortmund vom 26.07.2004 ging am 30.07.2004 beim Landgericht Essen ein. Der Vorsitzende der II. Kammer für Handelssachen verfügte am selben Tage die Übersendung der Akten an das Landegericht Dortmund. Die Verfügung wurde am 04.08.2004 ausgeführt. Die Akten trafen am 10.08.2004 beim Landgericht Dortmund ein.
Mit Schreiben vom 06.10.2004, beim Gericht eingegangen am 07.10.2004, beantragt der Antragsteller nach einem Hinweis des Vorsitzenden der zuständigen Kammer,
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Dem Antragsteller ist gemäß § 22 Abs. 2 FGG analog Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ging erst nach Ablauf der Antragsfrist beim Landgericht Dortmund ein.
Der Antrag kann gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 SpruchG nur innerhalb von drei Monaten nach Bekanntmachung der Eintragung des Unternehmensvertrages gestellt werden. Diese Antragsfrist lief am 05.08.2004 ab. Die Frist wurde nicht durch Stellung des Antrags beim Landgericht Essen am 05.07.2004 gewahrt. Fristwahrend ist gem. § 4 Abs. 1 S. 2 SpruchG nur die Einreichung bei einem zuständigen Gericht (KG ZIP 2000, 498, 500).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sieht das SpruchG nicht vor. Gleichwohl war im vorliegenden Fall eine Wiedereinsetzung zu gewähren.
§ 4 Abs. 1 S. 1 SpruchG ist nach herrschender Meinung eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (Klöcker/Frowein, § 4 SpruchG Rdnr. 7). Bei einer solchen entfällt der Anspruch auf Erhöhung der Kompensation nach Ablauf der Frist. Nach § 13 SpruchG wirkt die gerichtliche Entscheidung auch für und gegen die Anteilsinhaber, die keinen oder keinen zulässigen Antrag gestellt haben. Liegen also neben dem nicht fristgerechten Antrag eines Antragstellers weitere zulässige Anträge vor, bleibt der Anspruch des Antragstellers trotz Fristversäumnis bestehen. Nur wenn kein einziger zulässiger Antrag auf Einleitung des Spruchverfahrens gestellt wird, wirkt die Versäumung der Frist auch als materiell-rechtliche Ausschlussfrist mit der Folge, dass der Anspruch fortfällt.
Hier liegen neben dem Antrag des Antragstellers noch weitere zulässige Anträge vor, so dass § 4 Abs. 1 S. 1 SpruchG nicht als materiell-rechtliche Ausschlussfrist wirkt. Aufgrund dessen spricht im vorliegenden Fall auch nichts gegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das entscheidende Argument gegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Interesse des betroffenen Rechtsträgers sich auf Bestand einer Abfindung- und Ausgleichsregelung verlassen zu können. Dieses Argument kann in diesem Fall jedoch gerade nicht greifen, da unabhängig von einem Antrag des Antragstellers das Spruchverfahren eingeleitet wurde und die Antragsgegnerin deshalb derzeit keine Sicherheit am Bestand...