Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeugversicherung. Leasing. Wiederbeschaffungswert. Differenzbesteuerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Totalentwendung ist in der Kaskoversicherung für die Bemessung des Wiederbeschaffungswertes auf die Stellung des Leasinggebers abzustellen.

2. Die Höhe des Anspruchs ist daher auf den Netto-Wiederbeschaffungswert begrenzt.

3. Der Versicherer schuldet hier nicht den Betrag für die fiktive Wiederbeschaffung eines differenzbesteuerten Fahrzeuges.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 17.03.2011; Aktenzeichen 4 StR 29/11)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an Q 41.200,00 EUR (in Worten: einund-vierzigtausendzweihundert Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.530,58 EUR (in Worten: eintausendfünfhundertdreißig 58/100 Euro) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 86 % die Beklagte und 14 % die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Für die Klägerin ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Fahrzeugversicherung mit der Behauptung in Anspruch, der von ihr versicherte Pkw sei entwendet worden.

Die Firma S (im Folgenden: S) hatte den streitgegenständlichen Pkw Porsche Cayenne 3,2 V 6 von der Q geleast. Mitgesellschafter der S ist der Ehemann der Klägerin, der Zeuge V.

In dem Antrag auf Abschluss der Versicherung ist eine "überwiegend private Nutzung" angegeben. Ein Sicherungsschein wurde erteilt.

Die Klägerin und ihr Ehemann besitzen ein Ferienhaus in der Ortschaft W/Polen.

Sie behauptet, sie sei in der Zeit vom 30.05.2007 bis zum 12.06.2007 mit ihrem Ehemann dort gewesen. Die Hinreise sei mit dem Pkw Porsche Cayenne erfolgt. Ihr Ehemann habe den Pkw am 01.06.2007 in der Doppelgarage des Ferienhauses abgestellt. Daneben habe ihr weiterer Pkw, ein Peugeot 607, gestanden. Am nächsten Morgen gegen 11.00 Uhr hätten sie und ihr Ehemann feststellen müssen, dass der Pkw Porsche Cayenne gestohlen worden war.

Nach einer von der Beklagten eingeholten Fahrzeugbewertung vom 31.07.2007 betrug der Wiederbeschaffungswert, bezogen auf den 02.06.2007,

  • -

    netto 41.200,00 EUR,

  • -

    brutto (Umsatzsteuer in Höhe von 19 %) 49.000,00 EUR,

  • -

    differenzbesteuert (2 %) 47.780,00 EUR.

Nach Durchführung von Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15.11.2007 die Regulierung ab.

Im Laufe des Rechtsstreits wurde der Pkw ohne sichtbare Einbruchsspuren in Polen wieder aufgefunden. Er wurde von der Leasinggesellschaft verwertet.

Die Klägerin meint, ihr stehe der Betrag von 47.780,00 EUR als Entschädigungsleistung zu, weil das Fabrikat auf dem Markt überwiegend differenzbesteuert angeboten würde.

Die Klägerin beantragt daher,

  • 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an Q 47.780,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.11.2007 zu zahlen,

  • 2.

    die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.641,96 EUR (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet das äußere Bild einer Entwendung und behauptet, der Pkw Porsche Cayenne habe bereits 10 Tage vor der behaupteten Ankunft der Klägerin und ihres Ehemannes in Polen in der Garage gestanden. Dies habe die Haushälterin, die Zeugin N, wahrgenommen.

Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung (Falschangaben zum letzten Auslandsaufenthalt des Pkw Porsche Cayenne, Geltendmachung der Differenzbesteuerung, unzutreffende Angabe der Nutzungsart bei Antragstellung). Überdies beruft sich die Beklagte auf eine "anzeigepflichtige Gefahrstanderhöhung" und Leistungsfreiheit wegen grober Fahrlässigkeit, weil die Klägerin den Pkw in Polen auf einem verlassenen Grundstück in einer im Bau befindlichen nicht abschließbaren Garage für annähernd zwei Wochen unbeaufsichtigt abgestellt habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin könne der Wiederbeschaffungswert nur als Nettobetrag zustehen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen V, T, A und N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2008 (Blatt 123 ff der Akten) und auf die Übersetzung der im Wege der Rechtshilfe in Polen eingeholten Aussage der Zeugin N vom 22.9.2009 (Blatt 144 ff der Akten) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im erkannten Umfange begründet. Im Übrigen ist...

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