Entscheidungsstichwort (Thema)
Wissentliche Pflichtverletzung eines Insolvenzverwalters i.S.d. Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung aufgrund fehlender Rückführungsmöglichkeit eines von ihm aufgenommenen Massekredits wegen Masseunzulänglichkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Insolvenzverwalter begeht keine wissentliche Pflichtverletzung i.S. d. Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung, wenn er einen von ihm aufgenommenen Massekredit wegen Masseunzulänglichkeit nicht zurückführen kann, weil er die Zahlungsflüsse aus noch abzuarbeitenden Werkverträgen der Insolvenzschuldnerin falsch eingeschätzt hat.
Normenkette
VVG § 149; AHB § 1; AVB-I § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. an den Kläger 29.790,41 EUR (in Worten: neunundzwanzigtausendsiebenhundertneunzig 41/100 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers aus dem Kontokorrent (Konto-Nr. …) gegen die Insolvenzmasse der Firma S, C-weg …, X in Höhe von 28.255,85 EUR,
2. an den Kläger 3.000,91 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2009,
zu zahlen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten aus einer zwischen ihnen bestehenden Berufshaftpflichtversicherung.
Der zum Diplom-Kaufmann ausgebildete Kläger ist als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Insolvenzverwalter tätig. Er wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 01.03.2006 als Insolvenzverwalter in dem Verfahren über das Vermögen der Firma S, C-weg …, X (im Folgenden Schuldnerin) bestellt, nachdem er bereits durch Beschluss vom 09.02.2006 zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt worden war. Der Kläger versicherte sich im Rahmen seiner gesetzlichen Haftpflichtversicherung gegen die Inanspruchnahme wegen von ihm bei diesen Tätigkeiten verursachten Vermögensschäden bei der Beklagten.
Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die VH 556:06-Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Insolvenzverfahren (AVB-I) mit Risikobeschreibung zugrunde.
In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter führte der Kläger den Betrieb der Schuldnerin fort und beantragte bei der Sparkasse X als Insolvenzverwalter, ihm einen Massekredit in Höhe von 30.000,00 EUR einzuräumen. Mit Kreditvertrag vom 28.03.2006/28.04.2006 gewährte die Sparkasse X dem Kläger einen Kredit in laufender Rechnung bis zur Höhe von 30.000,00 EUR. Die Rückführung des Kredits sollte aus noch abzuarbeitenden Aufträgen der Schuldnerin erfolgen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.03.2006 zahlte die Sparkasse X dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter den Kredit in mehreren Teilbeträgen bis zum 04.04.2006 aus. An diesem Tag wies das Konto einen Sollsaldo von 26.580,74 EUR aus. Nach diesem Zeitpunkt berechnete die kreditierende Sparkasse noch Zinsen und Kosten in Höhe von 5.864,66 EUR.
Am 14.09.2007 leistete der Kläger eine Teilzahlung in Höhe von 5.000,00 EUR, die von der Sparkasse verrechnet wurde. Seit diesem Zeitpunkt fielen noch Zinsen und Kosten in Höhe von 2.950,60 EUR an. Zum 29.05.2008 befand sich das Konto im Sollsaldo von 29.818,29 EUR. Die kreditierende Sparkasse mahnte den Kläger zur Rückführung des Schuldensaldos auf dem Konto an und kündigte schließlich mit Schreiben vom 28.05.2008 den eingeräumten Kredit in Höhe von 30.000,00 EUR fristlos und forderte ihn zur Zahlung des Schuldsaldos von 29.818,29 EUR auf. Mit Schreiben vom 28.05.2008 zeigte der Kläger dem Insolvenzgericht gegenüber die Masseunzulänglichkeit an.
Daraufhin erhob die Sparkasse X unter dem 05.08.2008 gegenüber dem jetzigen Kläger Klage auf Zahlung von 29.818,29 EUR. In diesem Haftpflichtverfahren erster Instanz gewährte die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz zur Abwehrung der Klage.
Mit Urteil vom 22.04.2009 verurteilte das Landgericht Münster (AZ: 14 O 432/08) den Kläger zur Zahlung von 28.255,85 EUR. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger gemäß § 61 InsO zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil er durch die Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits nach dem 01.03.2006 pflichtwidrig eine Masseverbindlichkeit begründet habe, die aus der Insolvenzmasse nicht hätte erfüllt werden können.
Gegen dieses Urteil wollte der Kläger Berufung einlegen, da das Urteil seiner Auffassung nach in rechtsfehlerhafter Weise ergangen war, er insbesondere einen Pflichtenverstoß nicht zu erkennen vermochte. Da die Beklagte keine Erfolgsaussicht für eine Berufung sah, lehnte sie mit Schreiben vom 08.06.2009 die Gewährung einer vom Kläger gewünschten Kostendeckungszusage für die Durchführung des Berufungsverfahrens ab, so dass d...