Leitsatz (amtlich)
1. Tritt ein Versichrungsvermittler als " Ihr unabhängiger Finanzoptimierer" auf, so handelt er nach außen als Makler.
2. Die in einem Formular des Maklers gestellten Gesundheitsfragen sind grundsätzlich keine Fragen des Versicherers gem. § 19 Abs. 1 VVG n.F. ( Anschluss an OLG Hamm, VersR 2011,469 ).
3. Anderes kann gelten, wenn der Versicherer sich die Fragen zu Eigen gemacht hat. Dies muss aber für den VN bei der Antragsaufnahme ersichtlich sein.
4. Handelt der gegenüber dem VN als Makler auftretende Versicherungsvermittler verdeckt auch als Mehrfachagent ( sog. Pseudomakler ), so rechtfertigt dies keine Zurechnung der Gesundheitsfragen zu Gunsten des Versicherers.
5. An einem nach § 19 V VVG n.F. erforderlichen Hinweis des Versicherers fehlt es, wenn die Hinweise auf dem Formular des Maklers erteilt werden.
Normenkette
VVG §§ 19, 22
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien zur Versicherungsnummer ###..#######54 (mit den Tarifen SGII2/100, KS1/75, ECONOMY und AV-P) sowie zur Versicherungsnummer ###.#######01 (mit dem Tarif V29/70) weder durch den Rücktritt der Beklagten vom 08.03.2011 noch durch die Anfechtung vom 18.08.2011 beendet ist, sondern unverändert weiter fortbesteht.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob eine von dem Kläger bei der Beklagten genommene Kranken- und Krankentagegeldversicherung fortbesteht.
Der Vertrag wurde durch den Zeugen M vermittelt, der für den B, einen bekannten großen Finanzdienstleister, tätig wurde. Der Zeuge M riet dem Kläger, der zuvor bei der T krankenversichert war, zu dem Wechsel zu der Beklagten.
Das von dem Zeugen M verwandte Antragsformular vom 15.12.2008 trägt auf dem Deckblatt die Aufschrift "Antrag auf Kranken-/Pflegepflichtversicherung" und im unteren Bereich unter anderem das Logo des B einschließlich der Zeile "Ihr unabhängiger Finanzoptimierer". Das so gestaltete Logo findet sich sodann in der Fußzeile sämtlicher Folgeseiten des Formulars, auch auf der Seite mit den Belehrungen gemäß § 19 Abs. 5 VVG, deren Erhalt der Kläger bestreitet. Als Gesellschaft, bei der der Versicherungsschutz beantragt wird, wurde in der entsprechenden Rubrik der Name der Beklagten eingetragen.
Die Gesundheitsfragen wurden verneint. Lediglich auf die Frage zu "2 b)" (unter anderem nach ambulanten Untersuchungen oder ärztlichen Behandlungen) wurde das Kästchen für "Ja" angekreuzt. Dazu erfolgten folgende ergänzende Angaben:
"Routineuntersuchungen, jährlicher Check-up, i.O.
ohne Befunde bei Herrn Dr. X, N
Halbjährliche Zahnkontrolle, ohne Befunde, i.O.
bei Frau Dr. P, N"
Die Beklagte policierte die beantragten Tarife. Wegen der Einzelheiten des Antragsformulars und der Versicherungsscheine wird auf die Anlagen B 1 ff. zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.05.2011 Bezug genommen.
Am 13.10.2010 erlitt der Kläger einen Unfall. Die Beklagte zahlte in der Folge bis zum 01.03.2011 Krankentagegeld nach dem Tarif V29/70. Mit Schreiben vom 08.03.2011 erklärte sie sodann den Rücktritt von der Kranken- und Krankentagegeldversicherung und berief sich zur Begründung auf die Nichtangabe von Behandlungen wegen Bauchschmerzen, Lumboischialgie, Herzbeschwerden, Stress, HWS-Syndrom, Schwindel und Erektionsstörungen.
Der Kläger macht geltend, er sei nur wegen Bagatellerkrankungen in Behandlung gewesen. Er habe dem Zeugen M auch erklärt, dass er nur Bagatellerkrankungen gehabt habe, ohne diese Erkrankungen im Einzelnen namhaft gemacht zu haben.
Er habe tatsächlich einmal im Jahr einen "Check-up" bei Dr. T2 machen lassen. Den Betriff "Check-up" habe allerdings der Zeuge M eingebracht.
Er sei davon ausgegangen, dass die Beklagte sich bei Bedarf weitere Auskünfte von der Vorversicherin und den angegebenen Ärzten einholen könne.
Der Kläger ist der Auffassung, es fehle an einer gesonderten Mitteilung gemäß § 19 Abs. 5 VVG.
Er behauptet, bei Kenntnis der Krankendaten hätte die Beklagte den Antrag in gleicher Weise angenommen.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, bei Kenntnis selbst nur eines Teils der verschwiegenen - und gefahrerheblichen - Vorerkrankungen hätte sie den Antrag nicht wie gestellt angenommen.
Der Zeuge M habe die Gesundheitsfragen einzeln und nacheinander vorgelesen. Der Kläger habe die Fragen so beantwortet, wie aus dem Formular ersichtlich.
Die Beklagte ist der Auffassung, der B sei nicht als Makler, sondern als Mehrfachagent anzusehen. Dieser sei bei der Formulierung von Gesundheitsfragen wie auch bei der Entgegennahme von Angaben des Antragstellers kein Dritter. Die gesamte Gestaltung des "B-Einheitsantrages" werde seit 2001 zwischen der Beklagten und dem B jährlich abgestimmt, was die Umsetzung der Gesundheitsfragen mit einschließe. Kein Antragsformular des B dürfe ohne ausdrückliche Freigabe der Beklagten benutzt werden.
M...