Leitsatz (amtlich)
1. Die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (in der Fassung des ZPO-Reformgesetzes) setzt nicht voraus, dass die Klage dem Beklagten zugstellt worden und die Streitsache somit gem. §§ 253, 261 ZPO rechtshängig geworden ist.
2. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist es regelmäßig erforderlich, dem Beklagten die Klage nebst Rücknahmeerkärung zukommen zu lassen und ihn darauf hinzuweisen, dass das Gericht nunmehr gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO über die Kosten zu entscheiden hat.
3. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (in der Fassung des ZPO-Reformgesetzes) findet auch Anwendung, wenn der Anlass zur Klage schon vor Anhängigkeit weggefallen ist und der Kläger dies bei Einreichung der Klage ohne Verschulden nicht wusste.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuss vom 11.10.2002 in Gestalt des Beschlusses vom 28.10.2002 - 42 C 5019/02 - aufgehoben.
Dem Amtsgericht Neuss - Richter - wird aufgegeben, den Antrag der Kläger vom 19.09.2002 (Bl. 32 d. A,) unter Beachtung nachstehender Gründe erneut zu bescheiden und dabei auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden,
Gründe
I.
Die Kläger haben mit Klageschrift vom 11.09.2002, bei Gericht eingegangen am 12.09.2002, die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in Anspruch genommen, die die Beklagten von der Rechtsvorgängerin der Kläger mit Mietvertrag vom 02.02.1999 angemietet hatten. Mit Verfügung vom 12.09.2002 wurden die Kläger zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 19.09.2002, bei Gericht eingegangen am 20.09.2002, erklärten die Kläger die Rücknahme der Klage und beantragten, den Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zur Begründung führten die Kläger auf, dass die Stadt Neuss zwischenzeitlich die Mieten für die Monate Juli, August und September 2002 am 11. bzw. 13.09.2002 gezahlt habe. Den Antrag der Kläger, den in Aussicht genommenen Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.10.2002 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im wesentlichen ausgeführt, dass eine Kostentragung durch die Beklagten bereits deshalb nicht in Betracht komme, weil die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ein Prozessrechtsverhältnis erfordere und dieses wiederum die Zustellung der Klage - woran es hier mangelt - voraussetze. Da die Klage vor Einzahlung des Kostenvorschusses zurückgenommen worden ist, sei auch die Zustellung der Klageschrift nebst der Klagerücknahmeerklärung nicht mehr in Betracht gekommen.
Der gegen den Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig.
Sie ist auch insoweit erfolgreich, als die Sache nach Maßgabe nachstehender Gründe an das Amtsgericht zurückzugeben war.
1.
Das Amtsgericht ist unzutreffenderweise davon ausgegangen, dass mit Blick auf die fehlende Klagezustellung der Anwendungsbereich des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht eröffnet sei.
§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO betrifft den Fall, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. In diesem Fall bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Möglichkeit der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestehe nur, wenn die Klage ungeachtet der Erledigung noch zugestellt wurde (LG Münster, NJW-RR 2002, 1221, 1222; Greger, in: Zöller, 23. Aufl. 2002, § 269 Rn. 8a; ders., NJW 2002, 3049, 3050; wohl auch Hartmann, in: Baumbach u. a., ZPO, 60. Aufl. 2002, § 269 Rn. 39 in Verbindung mit Rn. 5, 6; anders aber wohl ders., NJW 2001, 2577, 2585). Da es vor Zustellung der Klage keinen Beklagten gebe, dem Kosten auferlegt werden könnten, sei eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten nur möglich, wenn bereits ein Prozessrechtsverhältnis entstanden, die Klage also zugestellt sei.
Dieser Auffassung folgt das Beschwerdegericht nicht.
Es ist für die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht erforderlich, dass die Klage dem Beklagten zugestellt worden und die Streitsache somit gemäß §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO rechtshängig geworden ist (so auch Lüke, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2002, Aktualisierungsband ZPO-Reform 2002, § 269 Rn. 4; Deubner, JuS 2002, 899, 900; wohl auch Hartmann, NJW 2001, 2577, 2584 f.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 269 Rn. 13; unklar Reichold, in; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 269 Rn. 16 in Verbindung mit Rn. 5).
Die gegenteilige Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Die Voraussetzungen für die Kostenentscheidung sind in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO abschließend geregelt (Deubner, a. a. O.). Dort ist weder die Rede von Zustellung der Klage bzw. von Rechtshängigkeit noch von einem durch Klagezustellung geschaffenen Prozessrechtsverhältnis. Ein so...