Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.05.2011; Aktenzeichen 3 StR 97/11)

 

Tenor

Der Angeklagte ist des Totschlags schuldig.

Er wird unter Freisprechung im Übrigen zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt.

Im Umfang der Verurteilung trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens, im Umfang des Freispruchs trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Der Angeklagte trägt die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin A mit Ausnahme der ihr im Adhäsionsverfahren erwachsenen Kosten und notwendigen Auslagen.

 

Gründe

A.

Der Angeklagte wuchs im elterlichen Haushalt auf. Der Vater des Angeklagten, der zwei Import-/Exportgeschäfte betrieb, verstarb im Jahr 1988 im Alter von 48 Jahren an den Folgen eines Autounfalls, als der Angeklagte zehn Jahre alt war. Seine Mutter arbeitete früher in einer Couchfabrik und ist heute als Aushilfskraft in einem Lebensmittelgeschäft tätig. Der Angeklagte hat vier weitere Geschwister. Bis zu seiner Festnahme in der vorliegenden Sache wohnte er bei einer seiner Schwestern, die für ihn kochte und seine Wäsche wusch. Als Gegenleistung beteiligte er sich an den Haushaltskosten mit 300,-- Euro monatlich. Seit ca. vier Jahren kennt der Angeklagte seine Freundin B, die er bei ihrer Tätigkeit im Thekenbereich in einem Bordell in der XYstraße kennen gelernt hatte und mit der er inzwischen seit ca. drei Jahren verlobt ist.

Der Angeklagte verließ die Schule nach der 8. Klasse mit einem Abgangszeugnis. Danach arbeitete er unter anderem als Schweißer und Türsteher, zuletzt war er für einen Sicherheitsdienst im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung für 500,-- Euro monatlich als Türsteher tätig. Daneben arbeitete er etwa zwei- bis dreimal im Monat für eine Table-Dance-Bar, ebenfalls als Türsteher. Er betreibt seit etwa sechzehn Jahren Kampfsport, zunächst "Kick-Boxing", zuletzt auch "Free Fight". Mit dem Kampfsport erzielte er in der Vergangenheit bisweilen sportliche Erfolge und erhielt für einzelne Kämpfe Prämien zwischen 500,-- und 1.000,-- Euro.

Vor ca. zwei Jahren hatte er ersten Kontakt zum Motorradclub C, dem er seit inzwischen etwa einem Jahr als "Full-Member" angehört. Sein älterer Bruder D strebt als sog. "Prospect" (Probemitglied) eine Vollmitgliedschaft beim Motorradclub C an.

Der Angeklagte nimmt keine Drogen und trinkt keinen Alkohol, dessen Konsum er ablehnt, weil sein Vater bei dem im Jahr 1988 erlittenen tödlichen Autounfall angetrunken war. Er erlitt keine schweren Krankheiten oder Unfälle mit Auswirkungen auf seine Schuldfähigkeit und ist uneingeschränkt schuldfähig.

Der Angeklagte ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

Mit Urteil vom 25.03.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Meppen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Die Bewährungszeit wurde einmal verlängert bis zum 01.04.2008 und die Strafe schließlich mit Wirkung vom 10.02.2009 erlassen.

Mit Strafbefehl vom 31.01.2006 verhängte das Amtsgericht Duisburg gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu jeweils 10,-- Euro.

Mit Strafbefehl vom 05.05.2009 setzte das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort gegen ihn wegen Beleidigung und Körperverletzung eine Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen zu jeweils 40,-- Euro fest. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 30.12.2008 kam es gegen 17.30 Uhr zwischen dem Angeklagten, der anderweitig verfolgten B, sowie den Zeuginnen E und F zu einer verbalen Auseinandersetzung, weil der Angeklagte seinen PKW auf einem Behindertenparkplatz abgestellt hatte, ohne tatsächlich dieses Sonderrecht in Anspruch nehmen zu dürfen. Da die beiden Zeuginnen ihn auf dieses Fehlverhalten ansprachen, bezeichnete er diese als "Fotzengesocks" und sagte zu ihnen: "Typisch deutsch! Als ob Ihr nichts anderes zu tun hättet! Wenn ich meinen Leuten etwas sage, werden sie Euch für 100,-- Euro die Fresse polieren! Oder seid Ihr neidisch auf mein Auto? Der PB hat genug Geld dafür!" Als die Zeugin E an die Fahrertür seines Pkws ging, diese anfasste, um sie zu schließen, schubste er die Zeugin und verpasste ihr mit der Hand mehrere Ohrfeigen.

Mit Urteil vom 04.06.2009 verhängte das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort gegen ihn wegen Beleidigung eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu jeweils 40,-- Euro.

Mit Urteil vom 28.07.2009 verhängte das Amtsgericht Düsseldorf gegen ihn wegen Beleidigung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils 30,-- Euro.

Mit Beschluss vom 24.09.2009 bildete das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort nachträglich eine Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu jeweils 40,-- Euro unter Einbeziehung der Geldstrafen aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 05.05.2009 und vom 04.06.2009.

B.

I.

Im Sommer 2009 lernte der Angeklagte die zum damaligen Zeitpunkt in Berlin wohnende Zeugin G über das Internet in einem sogenannten Chatroom kennen. Die Zeugin G weckte in der Folgezeit das Interesse des Angeklagten, auch deshalb, weil er erfah...

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