Leitsatz (amtlich)
Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren von Amts wegen.
Verfahrensgang
AG Erfurt (Entscheidung vom 06.12.2011; Aktenzeichen 48 Gs 2676/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 26.01.2012 wird festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 06.12.2011 (Az.: 48 Gs 2676/11) bzw. die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten rechtswidrig war.
Die vorläufige Sicherstellung der in dem Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll vom 25.01.2012 unter der laufenden Nummer pppp. aufgeführten Gegenstände wird aufgehoben und deren unverzügliche Herausgabe an den Beschuldigten angeordnet. Darüber hinaus wird die unverzügliche Herausgabe sämtlicher zwischenzeitlich gefertigter Kopien bzw. Datenträger angeordnet.
Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt Martin Neldner aus Ilmenau als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
Gegen den Beschuldigten wird ein Verfahren wegen Betruges, der Hehlerei, der Urkundenfälschung sowie des Verstoßes gegen Urheberrechtsgesetz geführt.
Das Verfahren kam in Gang aufgrund des Hinweises einer in der Asylbewerberunterkunft Y. tätigen Sozialarbeiterin, die der Polizeiinspektion Z. mitteilte, ein Herr X. wolle gegen eine in A. ansässige Person Anzeige wegen Sozialleistungsbetruges erstatten.
Der Kurzmitteilung der PI Z. vom 03.06.2011 zufolge wurde Herr X. mit einer Dolmetscherin zum Sachverhalt am 02.06.2011 befragt. Dabei belastete er den Beschuldigten, seinen Cousin. Wegen sämtlicher Einzelheiten wird auf jene Kurzmitteilung Bezug genommen.
Die Polizeiinspektion B. bzw. die Staatsanwaltschaft Erfurt nahmen sodann einige Ermittlungen vor, die die Vorwürfe allerdings nicht erhärteten. Mit Verfügung vom 15.11.2011 ersuchte die Staatsanwaltschaft Erfurt die PI Z. darum, den Zeugen und seine Ehefrau zu detaillierten Fragen erneut zu vernehmen und ihre Angaben zu konkretisieren. Dies erwies sich als unmöglich, da beide zwischenzeitlich in ihr Heimatland XXX zurückgekehrt waren, wie die PI Z. unter dem 22.11.2011 mitteilte.
Durch Beschluss vom 06.12.2011 (Az.: 48 Gs 2676/11) ordnete das Amtsgericht Erfurt nach §§ 102, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen, der Fahrzeuge und der Werkstatt im Wohnhaus des Beschuldigten an, nach folgenden Gegenständen:
PC des Beschuldigten,
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Unterlagen XXXXXXXXXXX
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Unterlagen XXXXXXXX
Zudem wurde die "Beschlagnahme" der jeweils aufgeführten Gegenstände nach §§ 94, 98 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben würden.
Das Gericht führte zur Begründung aus, es bestehe nach den bisherigen Ermittlungen der Verdacht, dass der Beschuldigte gewerbsmäßig im Internetauktionshaus "ebay" unter anderem raubkopierte PC-Programme und CD-Roms für Navigationssysteme vertreibe. Ferner werde ihm Hehlerei zur Last gelegt, da er nach eigenen Angaben gegenüber einem Zeugen einen PC erworben habe, der aus einer Diebstahlshandlung in einer Bank stamme. Er solle auch Unterlagen zur Vorlage bei Behörden fälschen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Aufgrund dieses Beschlusses vom 06.12.2011 wurde am 25.01.2012 eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dabei wurden in der Wohnung des Beschuldigten in XXXXXXXX Gegenstände sichergestellt, die im Wohnzimmer und im Kinderzimmer gefunden worden waren. Auf das Durchsuchungs- / Sicherstellungsprotokoll vom 21.01.2012 sowie das Protokoll über kriminaltechnische Tatortarbeit vom selben Tag wird insoweit Bezug genommen.
Der Beschuldigte ließ gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 06.12.2011 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.01.2012 Beschwerde einlegen mit dem Antrag, festzustellen, dass die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten rechtswidrig war. Zugleich wurde beantragt, die vorläufige Sicherstellung der im Protokoll genannten Gegenstände aufzuheben und die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.
Darüber hinaus wurden die Bestellung des Verteidigers zum Pflichtverteidiger und Akteneinsicht beantragt.
Wegen der Begründung für jene Anträge wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 26.01.2012 sowie auf die weiteren Schriftsätze vom 08.02., vom 10.02., vom 16.02. und vom 15.03.2012 verwiesen. Insbesondere wird gerügt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wurde und es bereits an konkreten Tatsachen für einen Anfangsverdacht fehle. Es hätte eine Vielzahl weiterer Ermittlungsansätze gegeben, die weniger einschneidend als die Durchsuchung gewesen wären.
Das Amtsgericht half der Beschwerde unter dem 19.03.2012 nicht ab und legte die Sache unter Vermittlung der Staatsanwaltschaft Erfurt der Beschwerdekammer des Landgerichts Erfurt zur Entscheidung vor, wo sie am 30.03.2012 einging.
II.
1.
Die Beschwerde des Beschuldigten ...