Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Allein durch eine Regelung in der Hausordnung zum Mietvertrag kann der Mieter einer Erdgeschoßwohnung nicht zum Winterdienst verpflichtet werden.
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die im 76. Lebensjahr stehende Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann schlossen mit der Beklagten am 15.8.1956 einen Mietvertrag über die Erdgeschoßwohnung im Hause. § 14 mit der Überschrift "Hausordnung" lautet in Ziffer 1 wie folgt:
"Das Wohnungsunternehmen erläßt zur Förderung einer auf gegenseitiger Rücksichtnahme begründeten Hausgemeinschaft die Hausordnung. Die Hausordnung regelt die Art und Weise der Ausübung der den Mietern vertraglich zustehenden Nutzungsrechte an den ihnen überlassenen Mieträumen, Art und Weise der Benutzung der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Räume und Anlagen sowie Art und Umfang der mit der Nutzung zusammenhängenden vertraglich auferlegten Pflichten der Mieter gegenüber dem Wohnungsunternehmen und der Hausgemeinschaft."
Nr. 16 der Hausordnung, betreffend die Reinigung des Treppenhauses, lautet in Absatz 2 wie folgt:
"Die Inhaber der Wohnungen im Erdgeschoß reinigen den Zugang zum Hause, die Haustreppe sowie die Treppen und den Flur ihres Geschosses, sie haben erforderlichenfalls den Zugang zum Haus und die Haustreppe von Schnee freizuhalten und Glätte durch Sand, Asche oder andere abstumpfende Mittel zu beseitigen. Die Inhaber der Wohnungen in den oberen Stockwerken reinigen die Treppe zu ihrem Geschoß und den dazugehörigen Flur."
Die Klägerin, die bisher diese Arbeiten durchgeführt hat, wandte sich mit Schreiben v. 22.7.1986 an die Beklagte und teilte ihr mit, daß sie infolge ihres Alters und aus Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage sei, die vor 30 Jahren übernommene Schneeräumungspflicht als Erdgeschoßmieterin weiterhin ordnungsgemäß auszuführen. Sie wende sich bereits im Sommer an die Beklagte, damit dieser ausreichend Zeit für die Lösung des Problems bliebe. Mit Schreiben v. 8.8.1986 erwiderte die Beklagte, daß es ihr nicht möglich sei, die Klägerin aus der Verpflichtung nach dem Mietvertrag zu entlassen, da sie nicht aufgrund einer solchen Sachlage über 6000 Mietverträge entsprechend ändern könne. Die Beauftragung eines Reinigungsunternehmens, deren Kosten auf alle Mieter umgelegt werden müßten, sei zu kostspielig. Sie schlage vor, daß Verwandte, Bekannte, Freunde oder Nachbarn der Klägerin bei der Durchführung der Arbeiten helfen könnten.
Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin Feststellung, daß sie zur Durchführung der Schneebeseitigungsarbeiten nicht verpflichtet sei. Sie hat die Auffassung vertreten, daß Ziffer 16 der Hausordnung gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstoße, da der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gewahrt sei. Im übrigen sei sie von ihrer Verpflichtung gemäß § 275 BGB wegen nachträglicher subjektiver Unmöglichkeit frei geworden.
Die Beklagte hat zunächst bestritten, daß der Gesundheitszustand der Klägerin die Durchführung der Arbeiten nicht mehr zuließe. Im übrigen hätten die Erdgeschoßmieter erheblich geringere Flächen zu reinigen als die Bewohner der oberen Etagen. Aus diesem Grunde liege keine Ungleichbehandlung vor. Wenn diese Arbeiten anderweitig vergeben würden, müsse mit einem Kostenaufwand von mehreren tausend DM gerechnet werden.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die unterschiedliche Pflichtenzuweisung an die Mieter verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, so daß die entsprechende Klausel auch nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstoße. Ebenso sei diese Bestimmung nicht als überraschende Klausel nach § 3 AGBG unwirksam, da diese Regelung in zahlreichen Mietverträgen enthalten sei. Schließlich sei die Klägerin auch nicht gemäß § 275 BGB von ihrer Verpflichtung frei geworden. Sie könne die von ihr verlangten Arbeiten durch Dritte ausführen lassen. Die finanziellen Möglichkeiten der Klägerin dazu seien ausreichend. Außerdem habe die Klägerin auch die Möglichkeit, sich ggfls. gegen ein geringeres Entgelt der Hilfe von Verwandten, Freunden, Schülern, Studenten oder Rentnern zu bedienen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Feststellungsklage der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Regelung in Ziffer 16 der Hausordnung, die die Klägerin zur Beseitigung von Schnee und Glätte auf dem Zugang zum Haus und der Eingangstreppe verpflichtet, ist nichtig. Aufgabe einer Hausordnung ist es, das reibungslose Zusammenleben mehrerer Mieter in einer Hausgemeinschaft zu regeln. Deshalb sind Gegenstand der Hausordnung Anordnungen über die Benutzung derjenigen Räume und Einrichtungen, die allen Hausbewohnern zur gemeinschaftlichen Benutzung zur Verfügung stehen, wie z.B. Flure, Treppen oder Kellerräume, um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. Infolgedessen kann die Hausordnung nur solche Bestimmungen beinhalten, die von der Natur der Sache her eine Selbstverständlichkeit und nach dem Mietvertrag ohnehin zu respektieren sind.
Hierzu gehört auch die Regelung über die ...