Leitsatz (amtlich)
Wird im Abrechnungsbeschluss weiterhin „die Jahresabrechnung” und nicht wie in § 28 Abs. 2 WEG vorgesehen, die Anpassung von Vorschüssen bzw. das Einfordern von Nachschüssen beschlossen, führt dies zwar nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses insgesamt, hat aber die Teilnichtigkeit insoweit zur Folge, als die Beschlussfassung über die Beschlusskompetenzen des § 28 Abs. 2 WEG hinausgeht. Dies kann bei der Kostenentscheidung mit einer Kostenquote von 1/3 zu Lasten der GdWE berücksichtigt werden.
Die Teilnichtigkeit hat das Gericht von Amts wegen festzustellen, ohne dass dieser Mangel vom Kläger gerügt werden muss (vgl. BGH NZM 2023, 288).
Verfahrensgang
AG Offenbach (Entscheidung vom 31.07.2022; Aktenzeichen 310 C 13/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Offenbach am Main vom 21.07.2022 insoweit abgeändert, als die Klage zu den Beschlüssen zu TOP 2 und 9 der Eigentümerversammlung vom 20.12.2021 insgesamt abgewiesen wurde. Die Beschlüsse zu TOP 2 Satz 1 und TOP 9 Satz 1 sind insoweit nichtig, soweit mit ihnen neben der Einforderung von Nachschüssen und der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse auch die Gesamt- und Einzelabrechnungen beschlossen wurden.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.
Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 110.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit der Klage fechten die Kläger verschiedene Beschlüsse einer Eigentümerversammlung an. Mit den Beschlüssen zu TOP 2 und 9 wurden die Jahresabrechnungen für 2018, 2019 und 2020 dergestalt beschlossen, dass die „Gesamt und Einzelabrechnungen … anerkannt” wurden. An der Versammlung nahm die Eigentümerin der Einheit 1 nicht teil.
Innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist hat der Kläger gegen die Beschlüsse eingewandt, die Einladungsfrist sei nicht eingehalten, der Einladende sei (wohl) nicht der Verwalter und an der Versammlung habe eine Erwerberin teilgenommen und abgestimmt, die zum Zeitpunkt der Versammlung noch nicht im Grundbuch eingetragen gewesen sei.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht, auf dessen Entscheidung Bezug genommen wird, hat – soweit für die Berufung noch von Interesse – die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er weiterhin begehrt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 20.12.2021 zu TOP 2, 3, 6 und 9 für ungültig zu erklären. Die Berufung stützt sich im Wesentlichen darauf, dass das Amtsgericht verkannt habe, dass eine Mehrheit gegen die Beschlüsse erreicht worden wäre, wenn auch die Einheit 1, deren Eigentümerin an der Versammlung nicht teilgenommen hat, mit „nein” gestimmt hätte. Insoweit wird angeführt, dass hierfür eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden habe, da die Eigentümerin in Verkaufsgesprächen mit dem Kläger gewesen sei, in der Folge sei die Einheit auch durch den Kläger übernommen worden. ….
Entscheidungsgründe
II.
Mit den vorgetragenen Berufungsgründen hat die Berufung keinen Erfolg, allerdings liegen von Amts wegen zu berücksichtigende Nichtigkeitsgründe bezüglich der Beschlüsse über die Jahresabrechnungen vor, die dazu führen, dass für diese Beschlüsse teilweise die Nichtigkeit festzustellen ist.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Klage bezüglich der geltend gemachten Anfechtungsgründe abgewiesen, so dass insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die amtsgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden kann.
Voranzustellen ist insoweit, dass nur die fristgemäß innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist vorgetragenen Anfechtungsgründe zu berücksichtigen sind.
Insoweit hat der Kläger lediglich angeführt, dass die in der Gemeinschaftsordnung festgelegte Ladungsfrist nicht eingehalten war und mit Frau L jemand an der Versammlung teilnahm, der noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war und daher weder teilnehmen noch abstimmen durfte und der Einladende vielleicht nicht Verwalter gewesen sei.
Insoweit liegen zwar formelle Mängel der Eigentümerversammlung vor, diese führen aber auch in der Summe nicht dazu, dass ein relevanter Verstoß im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorliegt, der dazu führt, dass es nicht auf die Kausalität der Mängel im Einzelfall ankommt. Weder wird das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht der Eigentümer hierdurch tangiert, noch handelt es sich um schwerwiegende Verstöße, die aus Sicht eines objektiv urteilenden Wohnungseigentümers die Ungültigerklärung der Beschlüsse rechtfertigen, ohne dass es auf deren Kausalität a...