Leitsatz (amtlich)
Eine Teilanfechtung der Beschlüsse über die Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 WEG) bzw. die Anpassung der Vorschüsse oder die Einforderung von Nachschüssen (§ 28 Abs. 2 WEG) ist nicht möglich.
Enthält die Abrechnung bzw. der Wirtschaftsplan einen verteilungsrelevanten Fehler, sind die gefassten Beschlüsse insgesamt für ungültig zu erklären.
Verfahrensgang
AG Marburg (Urteil vom 07.03.2023; Aktenzeichen 9 C 476/22 (84)) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers und Berufungsklägers wird das am 07.03.2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Marburg (9 C 476/22 (84)) abgeändert, soweit die Klage auch bezüglich der Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 3a und 11b vollständig abgewiesen wurde.
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 13.09.2022 unter TOP 3a werden insgesamt und unter TOP 11b mit Ausnahme des Beschlusses über die Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage für ungültig erklärt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 85 % und der Kläger und Berufungskläger zu 15 %.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 52.665 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die Anfechtung von Beschlüssen der Eigentümerversammlung neben dem Beschluss zu TOP 10 über die Beschlussfassung der Vorschüsse und Anpassung der Nachschüsse für das Jahr 2021 (TOP 3a) und die Genehmigung „des vorgelegten Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2022” (TOP 11b).
Der Kläger hat diese Beschlüsse zunächst nur hinsichtlich einzelner Positionen angefochten, in denen ein Flächenmaßstab statt des MEA-Schlüssels angesetzt wurde. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, durch einen nicht angefochtenen Beschluss vom 2.7.2011 sei eine Änderung der Kostenverteilerbeschlüsse beschlossen worden. Dieser Beschluss hatte die Überschrift „Aufmaß aller Wohneinheiten und Verwendung der neu ermittelten Flächen und neu zu ermittelnden Miteigentumsanteile bei zukünftigen Abrechnungen”. In dem Vortext der Beschlussfassung wurde darauf hingewiesen, dass ein zuvor gefasster Beschluss erfolgreich angefochten wurde, da es zur Änderung der Teilungserklärung einer Zustimmung aller Miteigentümer bedurfte, zur Änderung eines Umlageschlüssels einer 2/3 Mehrheit. Nach Diskussion fassten die Eigentümer sodann folgenden Beschluss: „Es wird zum Beschluss gestellt, dem Architekten Herrn … aufgrund seines Angebots den Auftrag zu erteilen, jede Wohnung nach DIN 277 neu aufzumessen unter Berücksichtigung der Nebenräume in den Wohnungen, evtl. Dachschrägen, Balkonen/Loggien und Terrassen, jedoch ohne Berücksichtigung von Kellerräumen. Die bisher nach Miteigentumsanteilen abgerechnet Kosten sollen ab 2012 dann nach der neu ermittelten m2 Wohnfläche abgerechnet werden; ausgenommen hiervon ist gemäß § 16.4 WEG die Instandhaltungsrücklage.”
Hinsichtlich der tatbestandlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsanträge zu den Beschlüssen zu TOP 3a und 11b als Gesamtanfechtung ausgelegt, da eine Teilanfechtung im neuen Recht nicht möglich sei und die Klage insgesamt abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Klage weiter.
Er begehrt nun, die Ungültigerklärung der Beschlüsse zu TOP 3a, TOP 11b und des Negativbeschlusses zu TOP 10.
Der Kläger vertritt insbesondere die Auffassung, dass der Beschluss aus dem Jahre 2011 lediglich ein in sich widersprüchlicher Vorbereitungsbeschluss sei. Die Berechnung des Sachverständigen sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, denn er habe Elemente der DIN 277 und der Wohnflächenverordnung miteinander vermengt. Auch in der Sache sei der Beschluss unbestimmt, denn es sei völlig unklar, welche Kosten in Zukunft nach Miteigentumsanteilen weiter abgerechnet werden dürften und welche nicht, in der angefochtenen Abrechnung sein weiterhin Abrechnungen nach MEA erfolgt.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze in der Berufungsinstanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
….
2. Die Beschlüsse zu TOP 3a entsprechen insgesamt und zu TOP 11b überwiegend nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil die dort teilweise angewandten Verteilerschlüssel nicht zutreffend sind.
a) Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts nicht, dass durch den Beschluss zu TOP 4 der Versammlung vom 2.7.2011 die Verteilerschlüssel geändert wurden.
Bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses handelt es sich insoweit lediglich um die Vorbere...