Leitsatz (amtlich)

Wollen die Eigentümer von einem Rückbau einer von einem Eigentümer vorgenommenen unzulässigen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums absehen, kann dies zwar von ihrem Ermessensspielraum erfasst sein (BGH, Urt. v. 5.7.2019 – V ZR 149/18 = NZM 2019, 788), erforderlich ist dann aber, dass die Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende konkrete Alternativen zum Rückbau in eine Abwägungsentscheidung einbeziehen und dahingehende Maßnahmen in die Wege leiten.

 

Verfahrensgang

AG Büdingen (Urteil vom 20.01.2020; Aktenzeichen 2 C 576/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom 20.01.2020, Az. 2 C 576/18 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der in der Versammlung vom 25.07.2018 gefasste Beschluss der Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt 7 wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten und Berufungsbeklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien, Mitglieder der WEG …, liegen über einen abgelehnten Beschlussantrag im Streit. Mehrheitlich abgelehnt wurde in der Eigentümerversammlung vom 25.07.2018 der zu Tagesordnungspunkt 7 angebrachte Beschlussantrag, die auf dem Gemeinschaftseigentum 1977 errichtete Garage und die vor einigen Jahren als Anbau hierzu errichtete Gartenhütte zu beseitigen. Gegen den Negativbeschluss wendet sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Garage und die Anbauten seien zwar rechtswidrig errichtet worden. Dies allein zwinge nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung aber nicht zu einer Beseitigung. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweiligen Umstände für eine Beseitigung sprächen oder nicht. Hier entspräche es ordnungsmäßiger Verwaltung, Garage und Gartenhaus nicht zu beseitigen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter und ist der Ansicht, dass die Nutzung einer Einzelgarage denknotwendig nicht gemeinschaftlich möglich sei. Unstreitig ist unbekannt, wer derzeit einen Schlüssel zur Garage besitzt. Die Klägerin beruft sich zudem darauf, dass wegen der Garage unstreitig weniger Hoffläche zum Abstellen von Fahrzeugen vorhanden ist; das gemeinschaftliche Eigentum sei massiv eingeschränkt. Ohne die Garage könnte jeder Eigentümer sein Fahrzeug im Hof abstellen. Die Beklagten hätten das ihnen zustehende Ermessen nicht ausgeübt.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt unter Änderung des am 20.01.2020 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Büdingen, Az. 2 C 576/18,

  1. den Beschluss aus der Eigentümerversammlung vom 25.07.2018 zu Tagesordnungspunkt 7) für ungültig zu erklären;
  2. hilfsweise für den Fall, dass der Beschluss nichtig ist, festzustellen, dass der Beschluss aus der Eigentümerversammlung vom 25.07.2018 zu Tagesordnungspunkt 7) nichtig ist.

Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil in der Auffassung, der angefochtene Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Sie verweisen darauf, dass die Garage durchaus gemeinschaftlich genutzt werden könnte, etwa zum Abstellen von Fahrrädern; auch könnte sie zur Generierung von Einnahmen für die Gemeinschaft vermietet werden. In der Gartenhütte könnten Gartengeräte gelagert werden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Das Verfahren ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht – gegen die übrigen Eigentümer – weiter zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG), materiell ist der gefasste Beschluss im Grundsatz nach dem bei Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen (Kammer, Urteil vom 17.12.2020 – 2-13 S 108/20; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 223), wobei bezüglich der sich hier stellenden Fragen eine Rechtsänderung ohnehin nicht eingetreten ist. Der Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG aF; § 19 Abs. 1 WEG nF).

Begehrt wird allein die Ungültigerklärung eines Negativbeschlusses. Eine derartige Anfechtungsklage hat in aller Regel nur dann Erfolg, wenn lediglich eine positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hat. Ebenso muss die Anfechtung eines Negativbeschlusses Erfolg haben, wenn die Wohnungseigentümer ein ihnen zustehendes Ermessen nicht ausgeübt haben. Denn der Anerkennung der Anfechtbarkeit von Negativbeschlüssen liegt der Gedanke zu Grunde, dass auch durch die Ablehnung der Wohnungseigentümer in seinem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verletzt sein kann (BGH, Urteil vom 15. 1. 2010 – V ZR 114/09 = ZWE 2010, 174). Ein Verstoß gegen das Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung liegt auch bei Ermessensnichtgebrauch vor (LG München I Endurteil v. 22.4.2013 ...

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