Leitsatz (amtlich)
Der Selbstbehalt bei einer Gebäudeversicherung ist im Schadensfall nicht anteilig zwischen geschädigtem Sondereigentümer und ebenfalls geschädigter Wohnungseigentümergemeinschaft aufzuteilen, vielmehr trägt die Gemeinschaft diesen alleine (Anschluss an LG Karlsruhe vom 22.11.2018 – 11 S 23/17).
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Teilurteil vom 17.10.2019; Aktenzeichen 92 C 1296/18 (78)) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Kläger wird das Teilurteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 17.10.2019 insoweit abgeändert, als dort die Klage abgewiesen wurde. Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger weitere 850 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.3.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird beschränkt auf den Klageanspruch zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 6.000 EUR
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Wohnungseigentümer, die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Gegenstand des Verfahrens ist …. ein Leitungswasserschaden. Dieser wurde von der Gebäudeversicherung reguliert. Die Entschädigungsleistung wurde sowohl für den Schaden im Sondereigentumsbereich als auch für Schäden im Bereich des Gemeinschaftseigentums bezahlt. Insgesamt wurde einvernehmlich mit der Versicherung ein Schaden von 13.950 EUR festgelegt, davon entfielen 11.750 EUR auf dem Bereich des Sondereigentums. Die Versicherung enthielt eine Selbstbeteiligung i.H.v. 1.000 EUR, um deren Verteilung streiten die Parteien.
Mit der Klage haben die Kläger begehrt, die Beklagte zur Zahlung des auf den Sondereigentumsbereich entfallenden Betrag von 11.750 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das Amtsgericht hat eine anteilige Aufteilung des Selbstbehaltes vorgenommen und durch das angefochtene Teilurteil einen Betrag i.H.v. 850 EUR nicht zugesprochen. Diesen Betrag begehren die Kläger mit der Berufung weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
….
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Kläger hat Erfolg. Ihnen steht die auf den Schaden an ihrem Sondereigentum gezahlte Entschädigung der Versicherung in voller Höhe zu, ohne dass insoweit ein Abzug in anteiliger Höhe für den Selbstbehalt erfolgen darf.
Zu Recht hat das Amtsgericht entschieden, dass es sich bei dem von der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherungsvertrag um eine Versicherung auf fremde Rechnung nach § 43 Absatz I VVG handelt, sodass zwischen ihr und den Klägern ein Treuhandverhältnis entstanden ist, das die Beklagte verpflichtet, eine den Klägern zustehende Versicherungsleistung an diese auszukehren.
Im Außenverhältnis hat aufgrund des Gebäudeversicherungsvertrages die Gemeinschaft als Schuldnerin der Versicherungsprämien diesen Betrag zu tragen, entsprechend ist auch von der Gebäudeversicherung vorliegend abgerechnet worden. Umstritten ist allerdings, wer den Selbstbehalt im Innenverhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern zu tragen hat.
Nach einer Auffassung ist bei Schäden am Gemeinschafts- und Sondereigentum oder an mehreren Sondereigentumseinheiten eine quotale Verteilung des Selbstbehalts auf sämtliche geschädigten Wohnungseigentümer vorzunehmen (Armbrüster ZWE 2009, 109 (112); ders. ZWE 2019, 324; Elzer in Timme, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 290?f.; Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, § 21 Rn. 130; Hügel/Elzer, § 19 Rn. 131). Ein Ausgleichsanspruch besteht nach dieser Auffassung nicht.
Nach der Gegenansicht hat die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband auch bei einem Schadenseintritt in nur einer Sondereigentumseinheit mit eigenen finanziellen Mitteln die Schadensbeseitigung in vollem Umfang zu ermöglichen und den Aufwand für den Selbstbehalt – auf der zweiten Stufe – in der Jahresabrechnung (auf alle Eigentümer) umzulegen (LG Karlsruhe, ZWE 2019, 324; Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 21 Rn. 119; Dötsch NZM 2018, 353 (366); Jennißen in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 16 Rn. 99; Karkmann in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 21 WEG Rn. 99; Reichel-Scherer in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 21 WEG Rn. 341).
Die Kammer teilt die zuletzt genannte Auffassung. Das LG Karlsruhe hat insoweit jüngst zutreffend ausgeführt: „Es überzeugt, dass der Selbstbehalt als Bestandteil der Prämie anzusehen ist, weil deren Höhe auch von der Vereinbarung eines Selbstbehalts abhängig ist. Da sämtliche Wohnungseigentümer von einer niedrigeren Prämie infolge eines Selbstbehalts profitieren, ergibt sich aus der zwischen der Gemeinschaft und den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht (vgl. Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rn. ...