Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung aus Verkehrssicherungspflichtverletzung: Umfang der einen Anlieger treffenden Pflicht zur Reinigung des Bürgersteigs von Herbstlaub
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Die Pflicht des Anliegers zur Reinigung des Gehwegs vor dem Grundstück, die als Verkehrssicherungspflicht auch auf Ortssatzung beruhen kann, ist entsprechend den Sicherungserwartungen des Verkehrs zu erfüllen. Die örtlichen Verhältnisse und das eigener Vorsicht der Verkehrsteilnehmer entsprechende Verhalten bestimmen das Maß der Gefahrensicherung.
2. Einer Rutschgefahr durch feuchtes Herbstlaub auf dem Gehweg einer reinen Wohngegend in den frühen Morgenstunden muß im Regelfall jeder Verkehrsteilnehmer durch angepaßte Fortbewegung selbst Rechnung tragen.
Tatbestand
Die Klägerin (Innungskrankenkasse) macht gegen die Beklagte einen auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch ihrer BAT-Angestellten H. wegen eines Wegeunfalles geltend, den diese am 25.9.1992 um 7.05 Uhr vor dem Haus der Beklagten auf dem Bürgersteig erlitten haben soll.
Das Haus der Beklagten befindet sich in einer kleineren Straße in einer reinen Wohngegend. Auf dem Grundstück der Beklagten steht ein Baum. Die Äste reichen über das Außenmauerwerk hinaus, so daß Blätter auf den Gehweg fallen können. Vor dem Haus stehen keine Bäume auf dem Bürgersteig.
Die Angestellte der Klägerin befand sich am Morgen des 25.9.1992 gegen 7.00 Uhr auf dem Weg zur Arbeit bei der Klägerin. Um 7.05 Uhr soll es vor dem Haus der Beklagten zu einem Wegeunfall der Angestellten gekommen sein, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
Die Angestellte zog sich eine Patella-Fraktur zu, ging danach aber noch zur Arbeit. Erst ca. 1 Woche nach dem Schadensereignis erstattete sie Anzeige beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main.
Die Angestellte machte in der Unfallanzeige sowie Ergänzung der Unfallanzeige (Fragebogen bei Wegeunfällen) v. 30.10.1992 nähere Angaben zu dem Wegeunfall.
Mit Abtretungserklärung nach § 38 BAT v. 18.12.1992 hat die Angestellte H. ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen des Wegeunfalles v. 25.9.1992 an die Klägerin abgetreten.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat beim Deutschen Wetterdienst, Wetteramt Frankfurt, ein amtliches Gutachten über die Wetterverhältnisse am 25.9.1992 in Hofheim/Ts. eingeholt (Gutachten des Wetteramtes Frankfurt v. 7.7.1993).
Die Klägerin behauptet, Frau H. sei am 25.9.1992 gegen 7.05 auf dem Weg zur Klägerin vor dem Haus der Beklagten auf dem Bürgersteig wegen größeren Mengen nassen Laubes ausgerutscht. Hierdurch habe sie sich eine Patella-Fraktur zugezogen. Aus dem Gutachten des Wetteramtes zum Schadenstag am 25.9.1992 ginge hervor, daß es sowohl am 19.9. als auch in der Nacht v. 22.9. auf den 23.9.1992 geregnet habe. Es könne somit keine Rede davon sein, daß trockenes Wetter geherrscht habe. Die relative Luftfeuchtigkeit sei am 24.9.1992 tagsüber auf etwa 50% zurückgegangen und dann während der Nacht zum 25.9.1992 auf ca. 90 bis 95% angestiegen. Dem Gutachten sei auch zu entnehmen, daß sich in Hofheim verbreitet leichter, örtlich auch mäßiger Tau abgelagert habe und deshalb der Erdboden um 7.00 Uhr mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest stellenweise feucht gewesen sei. Aus den Ausführungen des Wetteramtes ergebe sich, daß sehr wohl nasses Laub habe vorhanden sein können und Frau H. auf größeren Mengen nasses Laubes ausgerutscht sei.
Die Klägerin behauptet weiter, Frau H. sei vom 28.9.1992 bis zum 4.12.1992 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe Bezüge nach der Vergütung BAT-IKK erhalten.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe infolge schuldhafter Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht als Grundstückseigentümerin gegen § 823 Abs. 1 BGB verstoßen, so daß sie sich schadensersatzpflichtig gemacht habe. Den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch beziffert die Klägerin wie folgt:
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fortgezahlter Bruttolohn für die Zeit |
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vom 28.9.1992 bis zum 4.12.1992 |
DM 8.416,14 |
Arbeitgeberanteile für den gleichen Zeitraum: |
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Sozialversicherung |
DM 1.578,05 |
Umlage ZV |
DM 370,76 |
pauschale Steuer ZV |
DM 59,50 |
anteilige Gehaltssonderzuwendung für Dez. 1992 |
DM 4.091,89 |
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___________ |
Summe: |
DM 10.916,34 |
Die Beklagte behauptet, Frau H. habe sich erst eine Woche nach dem Unfall - was zwischen den Parteien unstreitig ist - bei der Polizei gemeldet mit der Folge, daß kurzfristige Feststellungen zum Zustand des Gehweges nicht mehr möglich gewesen seien. Die Beklagte bestreitet, daß Frau H. am 25.9.1992 gegen 7.05 Uhr einen Wegeunfall erlitten hat. Sie bestreitet weiter, daß nasses Laub für den behaupteten Wegeunfall die Ursache gewesen sei. Ausweislich des Gutachtens des Wetteramtes zum Schadenstag am 25.9.1992 sei das Wetter an jenem Tag trocken gewesen, auch einen Tag zuvor. Die Bäume seien noch grün gewesen und die Gehwege hätten keinen Laubbefall gezeigt. Nach dem amtlichen Gutachten des Wetteramtes hätte es kein nasses Laub geben können. Die Beklagte ist der Ansicht, ...